Ich gegen Dich
fertig, sonst nichts. Mum hat gesagt, ich soll dich holen.«
Ellie kniete am Hundekorb, streichelte die Schnauze der Hündin, schaute tief in ihre trüben Augen und sagte: »Wie geht's dir, meine schöne Grauschnauze? Wie geht's meinem lieben alten Mädchen?«
»Eleanor«, sagte Dad. »Würdest du dich bitte wieder an den Tisch setzen und den Hund in Ruhe lassen?«
Sie setzte sich. Mum trug eine Platte mit Lammkoteletts an den Tisch, und Tom spießte zwei davon mit der Gabel auf. Mum ging zum Backofen zurück und schüttete Erbsen und Möhren in Schüsseln. Tom reichte Dad die Koteletts. Mum tischte das Gemüse auf, und Tom bediente sich. Mum ging zum Herd zurück und zog mit einem Geschirrtuch als Topflappen ein Blech mit Backkartoffeln hervor.
»Gibt's Minzsoße?«
»Ja, ja, kommt sofort.«
»Und Bratensoße?«
»Die auch.«
Dad trommelte mit den Fingern auf den Tisch, um Ellie auf sich aufmerksam zu machen. »Hilfst du vielleicht mal deiner Mutter, oder hast du nur vor, hier sitzen zu bleiben?«
»Vermutlich«, sagte Dad, »sollten wir verstehen, dass sie äußerst gestört sein muss, um überhaupt erst so eine Geschichte zu erfinden. Sie kommt aus sehr einfachen Verhältnissen – alleinerziehende Mutter auf Sozialhilfe, drei Geschwister, keinerlei Zukunftsaussichten. Wen wundert's, dass sich das Mädchen zu Tom hingezogen fühlte.«
Tom wedelte zustimmend mit seinem Lammkotelett. »Das Haus hat sie mächtig beeindruckt.«
Auf seinen Lippen glänzte das Fett, auf seinen Fingern auch. Mit den Zähnen riss er das Fleisch vom Knochen, als hätte er seit Tagen nichts zu essen bekommen.
Ellie fragte: »Wie war das Essen, als du eingesperrt warst?«
»Ich will nicht drüber reden.«
»War es schlimmer als das Schulessen?«
Tom starrte sie böse an. »Hast du mich nicht gehört?«
»Hast du drei Mahlzeiten am Tag gekriegt oder nur eine?«
»Ellie, ich hab da jetzt keine Lust drauf.«
»Warst du mit jemand zusammen in einer Zelle oder in Einzelhaft?«
Dad knallte seine Gabel auf den Tisch. »Jetzt reicht's!« Ein Spritzer Bratensoße flog durch die Luft und landete auf dem Tischtuch. »Wenn du dich nicht beherrschen kannst, dann geh auf dein Zimmer. Verdammt, was ist bloß in dich gefahren, Eleanor?«
»Räum bitte deinen Teller ab«, sagte Mum ruhig, »und stell ihn in den Geschirrspüler.«
Ellie schob ihren Stuhl zurück, stand auf und ging raus in den Garten.
An diesem warmen Apriltag duftete das Gras herrlich. Ellie lag mit dem Gesicht nach unten und durchkämmte es mit den Fingern. Es erinnerte sie an früher, als sie in den Ferien zelten waren, wie salzig das Gras am Meer geschmeckt hatte, wie sie und Tom in den Dünen gelegen und mit den Fingern Insekten im Sand gejagt hatten.
Mum kam raus und setzte sich neben sie. »Warum tust du alles nur Erdenkliche, um deinen Bruder zu ärgern?«
Ellie drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme als Kissen unter dem Kopf. »Ist Dad die Liebe deines Lebens?«
»Natürlich.« Mum runzelte sanft die Stirn.
Hinter der Schulter ihrer Mutter sah das Haus wie eine Fantasie-Torte auf hellgrünem Rasen aus. Die Sonne spiegelte sich in den Fenstern, wie winzige Feuer hinter jeder Glasscheibe.
»Na komm, Ellie, sprich mit mir. Die letzten paar Tage warst du so still.«
Aber wie sagt man seiner eigenen Mutter Unaussprechliches?
»Bevor du Dad kennengelernt hast, wer warst du da?«
»Ich war Sekretärin, das weißt du doch.« Bei der Erinnerung lächelte sie zufrieden. »Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hat Dad mich gefragt, ob ich mit ihm ausgehen wolle. Damals hatte ich schon einen Freund, hab also Nein gesagt, aber jedes Mal, wenn er mein Büro betrat, hat er wieder gefragt. Er war sehr hartnäckig. Einmal hat er nach Feierabend am Fahrstuhl gewartet und mich nach Hause gebracht.«
»Klingt wie'n Stalker.«
»Nein, es war romantisch! Du bist immer so streng mit deinem Dad, Ellie. Er war toll zu mir – hat mir Geschenke und Komplimente gemacht. Er hat gesagt, wir seien vom Schicksal füreinander bestimmt. Da hab ich irgendwann nachgegeben.«
»Und was war mit deinem Freund?«
»Der hat eine andere gefunden.« Sie machte mit beiden Händen eine Geste der Hilflosigkeit. »Dad wollte mich mehr.«
Das Wohnzimmer war leer. Ellie stellte den Fernseher an, legte die Fernbedienung auf den Tisch und machte es sich bequem, um eine Wiederholung von Friends zu sehen. Essen und Fernsehen waren ein guter Trost. Drei Minuten später kamen Dad und
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