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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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hatte. Das tut mir immer noch leid.«
    »Also bitte. Keine Entschuldigungen mehr. Ich bin derjenige, dem es leidtut.« Ich schaute auf die andere Seite des Tisches und sah, dass Timothy Gregory und eine gewisse Maureen beide beschäftigt waren und vor sich hin schabten und kratzten.
    Leise fragte ich: »Hat Christy dir etwas gegeben?«
    Chloe nickte, schaute dann quer über den Tisch.
    »Wollen wir später reden?«
    Wieder nickte sie. Wir machten uns beide an die Arbeit. Chloe fertigte gerade eine Radierung ihres Familienhundes an, die sie später ihrer Mom schenken wollte. Meine Radierung basierte auf dem Cover eines Lester-Young-Albums, das einen Saxophon spielenden Mann zeigte, dessen Anzüge im Hintergrund hingen. Ich musste meinen Schaber auf eine bestimmte Art halten, damit meine verbrannten Fingerspitzen nicht weh taten.
    »Alle reden über dich«, stellte Chloe fest.
    »Was sagen sie denn?«
    »Was zu erwarten war. Ich würde sagen, die Mehrheit zieht über dich her, andererseits habe ich ein paar Leute sagen hören, wie toll du seist.«
    Sie arbeitete beim Reden, schaute abwechselnd auf ihr schwarzes Papier und das Foto ihres Yorkshireterriers. Ich nutzte die Gelegenheit, um Chloe zu betrachten. Ihr langes, dichtes Haar war im Laufe des Tages ein wenig fettig [371]  geworden, und sie hatte so viel auf ihrer schmalen Unterlippe herumgekaut, dass die aussah, als hätte sie geblutet. Ihre Brillengläser waren verschmiert. Auch als sie aufgehört hatte zu reden, sah ich sie immer noch an und fragte mich, ob sie sich entschieden hatte. Sie hatte einen besorgten Gesichtsausdruck, was bei ihr nicht ungewöhnlich war. Sogar wenn sie lächelte, wirkte sie manchmal besorgt.
    Dann dachte ich daran, einen Blick auf ihre Fingernägel zu werfen, um herauszufinden, wie lang sie waren. Sie waren so kurz wie meine, aber vermutlich machte die Länge eigentlich keinen Unterschied. Entweder hatte sie sie abgekaut oder an ihnen herumgepult.
    »Jedenfalls«, sagte sie, »hast du zwar gesagt, du möchtest nicht darüber reden, darum nerve ich dich nicht damit, aber eines Tages will ich wissen, wie und warum du den Ball abgesagt hast.«
    »Ich sag dir das nur ungern, James«, warf Marleen ein, »ich glaube aber, der Ball wird doch stattfinden.«
    Marleen war eine Cheerleaderin, die aber nicht wie eine Cheerleaderin wirkte. Eigentlich gehörte sie zur In-Crowd, war aber auch mit Mitgliedern diverser Cliquen befreundet. Was ihre Beliebtheit anging, würde sie wahrscheinlich im Jahrbuch zu so etwas wie »Miss Hilfsbereit« oder »Miss Freundlichkeit« gewählt werden.
    »Wirklich?«
    »Ja. Es ist die Rede davon, im Country Club einen privaten Ball auszurichten.«
    »Wie meinst du das?«, fragte ich. »Hat das die Schulverwaltung vor?«
    »Nein. Die Schüler.«
    [372]  »Welche Schüler?«, fragte Chloe.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Marleen.
    »Erlaubt das die Schule denn?«, fragte Chloe.
    »Es wäre so ähnlich, als würde man eine Riesenfete außerhalb der Schule abhalten«, sagte ich. »Die Schule könnte wohl nichts dagegen tun.«
    »Genau«, sagte Marleen. »Und das Komische dabei ist, weil es nicht auf dem Schulgelände stattfindet und nicht von der Schule genehmigt wird, werden angeblich nicht mal Anstandswauwaus anwesend sein – und deshalb wird es noch wüster und verrückter zugehen, als es bei einem Schul ball je werden könnte.«
    Ich lachte. »Tja, dann hat’s ja prima funktioniert.«
    »Es ist nur ein Gerücht, das gerade kursiert«, sagte Marleen. »Keine Ahnung, ob es dazu kommt.«
    »Hamilton wird happy sein. Hoffentlich amüsiert ihr euch köstlich.«
    »Nun mach mal ’n Punkt, James. Ich hab dir doch gesagt, ich wollte nicht gehen.«
    Auf die Rückseite meines Deutschhefts schrieb ich das Wort »Anstandswauwau«; ein interessantes Wort. Mir kam eine Idee für Neurotica: Vielleicht war Woolworths Traumjob, hauptberuflich als Anstandswauwau zu arbeiten und junge Leute daran zu hindern, einander auf der Tanzfläche umzubringen oder zu masturbieren.
    Die ganze Zeit ging Timothy völlig in seiner Arbeit auf und schaute nicht hoch. Gewöhnlich vermied ich es, mir seine Arbeiten anzusehen (meist eine Art Fantasykunst à la Dungeons & Dragons ), da er der mit Abstand Begabteste in dem Kurs war und ich nur Komplexe bekommen würde, [373]  was meine eigenen, mediokren Fähigkeiten anging. Ich war gerade gut genug, um an dem Kurs teilzunehmen.
    »Ich habe eben noch mit Hamilton gesprochen«, sagte Chloe, »und

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