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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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entschuldige mich in Hamiltons Namen, weil er das über deine Eltern gesagt hat. Ich glaube aber, ich weiß, warum er verbal auf dich losgegangen ist. Und ich habe hin und her überlegt, ob ich es dir sagen soll oder nicht, aber ich mach’s einfach, weil du wissen sollst, dass er kein so übler Kerl ist, wie du glaubst. Aber du darfst das keinem weitersagen, klar?«
    »Klar.«
    »Vermutlich hat er das zu dir gesagt, weil du den Spruch mit dem Selbstmord gemacht hast. Außer mir weiß das niemand, aber er hat in Panama City versucht, sich umzubringen.«
    »Oh.«
    »Und darum dachte er wohl, ich hätte es dir gesagt und du wolltest ihn verspotten.«
    »Wie hat er versucht, sich umzubringen?«
    »Ich sollte das vermutlich nicht verraten, aber damit du [410]  begreifst, was mit ihm und mir da unten abging, sag ich’s dir trotzdem. Eines Abends, gegen Ende der Woche, wollten alle aus meiner Ferienwohnung um die Häuser ziehen. Und ich war am Vorabend in einem Club gewesen und wollte lieber meine Ruhe haben, deshalb bin ich zu Hause geblieben und hab gelesen. Ich bin mit meinem Buch auf den Balkon gegangen, und er wohnte in der übernächsten Wohnung, und alle seine Freunde waren auch weg. Ich ging also auf meinen Balkon, und er war auf dem übernächsten Balkon und saß auf dem Sims.«
    »Du hast ihn also gerettet?«
    »Kann man so sagen.«
    »Warum wollte er sich umbringen?«
    »Er ist seit Jahren depressiv, doch den Rest gegeben hat ihm, dass er und sein Stiefvater sich vor seiner Abfahrt nach Florida mächtig gestritten haben. Deshalb hat er seinen leiblichen Vater gefragt, ob er bei ihm einziehen kann, doch bei dem war gerade seine junge Freundin eingezogen, deshalb sagte er Hamilton nein. Daraufhin haben sie sich gestritten, und obendrein hatte ihn Stephanie Schnuck am Wickel, weshalb er nicht wusste, ob er Hühnchen oder Hähnchen war. Und so habe ich ihn überredet, vom Balkonsims zu steigen, und mich stundenlang mit ihm unterhalten.«
    Ich nickte. Ich fragte mich, ob er den Selbstmordversuch irgendwie vorgetäuscht hatte, um diesen bebrillten Engel ins Bett zu kriegen, sagte aber im Stillen: Es reicht, James.
    »Du hast heute Morgen zwar gesagt, das zwischen ihm und mir sei rein körperlich, doch das ist nicht wahr. Hoffentlich glaubst du mir jetzt, wo du das alles weißt.«
    [411]  »Ich glaube dir.«
    »Jetzt muss ich ihn davon überzeugen, dass ich dir nichts erzählt habe – ich meine, dass ich dir erst jetzt etwas erzählt habe. Deswegen und weil du ihm verraten hast, wie wir uns über ihn lustig gemacht haben, ist er momentan wohl ziemlich sauer auf mich.«
    Eine nette Idee kam mir in den Sinn, verschwand aber auch wieder genau so schnell. Ich war zu stolz, um für jemanden die zweite Wahl zu sein. »Er kommt bestimmt klar. Sei du nur du selbst, dann kann er nicht anders.«
    Ohne Vorwarnung schlang sie die mageren Arme um mich, dass ihre Armreifen klimperten, und als ich den Kopf senkte, sah ich, dass sich ihr dichtes, gewelltes, brünettes Haar gegen mich presste. Es war unsere erste Umarmung. Ich erwiderte die Umarmung, hielt mich aber zurück, weil ich so kraftlos war und befürchtete, nach allem, was ich heute durchgemacht hatte, Körpergeruch zu haben. Ich gab ihr zwei Klapse auf den Rücken und löste mich von ihr. Sie rieb mir im Gehen über den Rücken.
    Na also, ich hatte sie ja doch noch berührt.
    »Sehen wir uns morgen?«, fragte sie.
    »Ja.« Ich nahm meine Bücher von der Ablage. »Übrigens habe ich dich nie geliebt.«
    »Das hab ich auch nie behauptet.«
    »Ich hab dich nie geliebt. Also glaub’s auch nicht.«
    Gemeinsam durchquerten wir den Raum, und an der Tür sagte sie: »Hey, falls sich auf dem Parkplatz immer noch jemand mit dir prügeln will, begleite ich dich am besten zum Wagen – nicht dass ich jemanden daran hindern könnte, sich mit dir zu prügeln, aber wenn ein Mädchen dabei ist –«
    [412]  »Danke, aber das wäre keine Hilfe. Viel lieber würde ich mich verhauen lassen, ohne dass du dabei zusiehst. Du gestattest mir doch diesen Luxus, oder?«
    »Na schön. Ich glaube aber nicht, dass was passiert.«
    »Ich auch nicht.«
    »Okay. Mach’s gut.«
    »Tschüs.«
    15 . 18   »Bis bald, Mr.   Ottman.«
    »Alles klar, James. Schön brav sein.«
    Ich ging Richtung Hinterausgang, der nicht weit von Mr.   Ottmans Kursraum entfernt war. Die Schule hatte sich unglaublich schnell geleert. Nur vereinzelte Schüler waren noch da und machten sich an ihren Spinden zu schaffen.

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