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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Chloe und ich nicht einen, sondern zwei gemeinsame Kurse hatten. Und diesmal setzte Mr.   Ottman Chloe und mich in Kunst IV an einen Tisch. Was dazu führte, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich gern zur Schule ging. Bei der Arbeit an unseren Gemälden, Pastellen und Kohlezeichnungen lernten wir einander dann näher kennen. Genau wie ich hegte sie eine generelle Abneigung gegenüber anderen jungen Leuten. Und genau wie ich war sie in einem Mittelschichtvorort aufgewachsen. Und im Kunstunterricht erfuhr ich auch, dass sie nach Osborne gewechselt war, weil die Schüler auf St.   Clement’s sie wegen ihrer Ticks so sehr gemobbt hatten, dass sie sich weigerte, weiter in diese Schule zu gehen.
    [80]  Im Kurs Kreatives Schreiben, wo Slim uns freie Sitzwahl erlaubte, setzte sich Chloe gleich freiwillig neben mich, was mich überglücklich machte. Im Oktober war ich bereit, den ersten Schritt zu machen, aber natürlich hatte sie ausgerechnet da etwas mit einem anderen. (Offenbar lockerten ihre Eltern die Zügel, und ihre Ticks hatten sich im Laufe des Sommers gebessert.) Und, bei Gott, sie und dieser Junge waren wirklich ein nettes Paar. Sie sangen gemeinsam im Chor, und er schien gut erzogen zu sein. Doch ich gab nicht auf. In Kreatives Schreiben und Kunst ergriff ich häufiger das Wort als üblich, meist ihr zuliebe. Alle meine Scherze galten ihr. Ich wollte sie zwingen, mich zu mögen.
    Im Dezember machte Chloe mit ihrem Chorknaben Schluss. Dann, als die Schule eines Tages wegen eines Schneesturms ausfiel – es war Montag, der 25.   Januar, gegen sechzehn Uhr –, rief Chloe mich zum ersten Mal an. Ich saß gerade am Computer und schrieb an meinem Roman, als Mom an die Tür klopfte und mir sagte, da sei ein Anruf für mich. Wir redeten länger als drei Stunden.
    Die Telefonate setzten wir bis zum Spring Break fort. Besonders beeindruckend fand ich, dass Chloe auch wirklich anrief, wenn sie versprach anzurufen. Grundsätzlich machte sie alles, was sie versprochen hatte. Irgendwann fing ich an, nach den Kursen mit ihr durch die Flure zu schlendern. Wir sprachen zwar nie darüber, doch für mich stand fest, dass das mehr als nur eine Freundschaft war.
    Dann kam der Spring Break. Kurz davor gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass sich etwas geändert hätte. Sie hatte von ihrem Plan erzählt, sich Kontaktlinsen zu besorgen, [81]  was ich einen schlimmen Fehler nannte. In der Woche davor konnte sie einmal meinen Anruf nicht entgegennehmen, weil sie gerade mit ihrem kleinen Bruder einkaufen gehen wollte, doch ich dachte mir nichts dabei.
    Jedenfalls war Chloe seit meinem eine Stunde alten Beschluss, mich mental zu kastrieren, für mich nur irgendein weibliches Wesen, über das ich reden konnte wie über einen Adam-Sandler-Film oder Salzwassergarnelen. Dennoch schlug mein Herz schneller, als ihr Name fiel. Stephanie und ich konnten gleichzeitig reden und arbeiten, da die nächste Aufgabe schlicht verlangte, Tropfen von Lösungen in Wasser zu geben und die Farbe zu notieren – eine ausgesprochen sinnvolle Tätigkeit. Wenigstens konnte ich mir das Wasser über die Fingerspitzen laufen lassen.
    »Stimmt. Ja, man könnte sagen, dass Chloe und ich Freunde sind. Weshalb fragst du?«
    »Hast du gehört, was sie im Spring Break getrieben hat?«
    »Du meinst das mit der Fließbandnummer?«
    »Das mit der Fließbandnummer?«
    »Ja. Die Jungs aus Tennessee?«
    »Davon weiß ich überhaupt nichts.«
    »Ich dachte, das hätte sich inzwischen in der ganzen Schule herumgesprochen.«
    »Das mag wohl so sein. Ich beteilige mich nicht an Klatsch und Tratsch, ob du’s glaubst oder nicht. Was war mit den Jungs aus Tennessee?«
    »Och – das möchte ich lieber nicht sagen.«
    »Verstehe. Du willst nicht über deine Freundin reden.«
    »Na ja, es ist halt ein pikantes Thema.«
    »Kein Problem. Wir müssen nicht darüber reden.« Sie [82]  widmete sich ihrem Lehrbuch, genau wie ich. Dann fiel mir etwas auf.
    »Moment mal«, sagte ich. »Was hast du denn gemeint?«
    »Was soll das heißen?«
    »Wenn du dich nicht auf die Fließbandnummer bezogen hast, was hast du dann gemeint?«
    »Ach so.« Sie lachte. »Das ist auch pikant.«
    »Trotzdem sollte ich es wohl erfahren. Wo wir doch befreundet sind.«
    »Na schön. Ich hab gehört, dass sie in Panama City was mit Hamilton Sweeney hatte.«
    »Oh.« Ich hatte wohl noch nie gehört, dass mein Atem eine Silbe so traurig hauchte. Die Wörter »Hamilton Sweeney« setzten mir zu. Er war

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