Ich gegen Osborne
verkündete der Coach.
Ich streckte die Hand über den außerordentlich aufgeräumten Schreibtisch des Direktors. »James Weinbach. Freut mich sehr, wenn auch nicht die Umstände.«
Man hätte meinen können, beide Männer hätten noch nie Hände geschüttelt. Nach kurzem Zögern tat es Shankly. Als er wieder losgelassen hatte, spürte ich auf meiner Handfläche, wo sich sein Ehering in meine Haut gegraben hatte. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er eine Person fand, die bereit war, ihn zu heiraten.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er.
»Danke.« Ich setzte mich und spürte wieder den stechenden Schmerz meiner Hämorrhoiden. Ich schlug die Beine übereinander und sah mich in dem Büro um, doch da gab es wenig zu sehen. Auf seinem Schreibtisch standen [159] zwei Bilderrahmen, deren Bilder er sehen konnte, sein Namensschild, das ich lesen konnte, die kleine Messingstatue eines Golfspielers sowie ein unförmiger, hellgrauer Computer.
Der Trainer gab den Dark-Eyes-Wodka und den rosa Zettel dem Rektor. »Ich hatte in der letzten Stunde Fluraufsicht und habe ihn keine fünf Minuten nach Ihrer Ansprache an uns erwischt.«
»Freut mich, dass wenigstens einer zuhört.« Shankly wies auf die Wodkaflasche. »Woher haben Sie die?« Er hatte die energische Stimme eines viel größeren, besser aussehenden Mannes.
»Ich habe ihn aus unserer Hausbar.« Statt ihm dabei in die Augen zu sehen, schaffte ich es gerade mal, zu seinem fiesen, kleinen, weißen Schnauzbart zu sprechen.
»Warum haben Sie sich so feingemacht?«
»Er sagt, er sieht gern schick aus.« Das kleine, hässliche Gesicht des Rektors verzog sich, als habe er gerade Blähungen. Es war nicht das erste Mal, dass Erwachsene mir das Gefühl gaben, etwas falsch zu machen, weil ich mich schick anzog. »Ich muss in den Unterricht.«
»Sollte ich sonst noch etwas wissen?«, fragte der Rektor.
»Ne. Er war weitgehend kooperativ.«
»Na schön. Ich übernehme jetzt.«
Als sich der Coach umdrehte, um zu gehen, sagte er: »Ich will dich nie wieder bei so etwas erwischen.«
»Das werden Sie auch nicht. Ich bin für so etwas nicht geschaffen. Hat mich gefreut.«
»Jau«, sagte er lachend. »Viel Glück, mein Junge.« Er schloss die Tür.
[160] Der Rektor lehnte sich in seinem Drehsessel zurück. »Also, raus mit der Sprache.«
»In Ordnung. Ich… ich kann wohl nicht viel zu meiner Entschuldigung anführen. Ich habe eine Fehlentscheidung getroffen.«
Er fuhr sich mit den Fingern durch sein schütter werdendes weißes Haar. Seltsamerweise tat er das rhythmisch aufeinander abgestimmt, zweimal über jedem Ohr.
»Das ist alles?«
»Jawohl, Sir.«
»Keine Ausreden?«
»Nein, Sir. Ich bin Ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ich gebe mich geschlagen.«
» Sie geben sich geschlagen? Halten Sie das für ein Spiel?«
»Nein, Sir. Das war ungeschickt formuliert. Ich meinte damit, ich fühle mich generell geschlagen, vom Leben enttäuscht. Nein, glauben Sie nicht, dass ich das hier auf die leichte Schulter nehme. Ich habe noch nie in ernsten Schwierigkeiten gesteckt.«
Er musterte mich fünf unangenehme Sekunden lang. Dann fragte er: »Wie heißen Sie noch gleich?«
»James Weinbach.«
»Wie buchstabiert man Ihren Nachnamen?«
Er tippte die Buchstaben ein, wie ich sie ihm nannte, und betrachtete dann den Bildschirm. Hol dich der Teufel, weil du mich nicht kennst, dachte ich. Im Stillen forderte ich mich auf, es nicht persönlich zu nehmen; es gab hier Schüler, genialere Köpfe als ich, deren Namen er nie lernen würde.
Er klickte auf seine Maus, betrachtete den Schirm und sagte: »Wie ich sehe, waren Sie jedes Mal auf der Liste der [161] besten Schüler. Warum sollte ein kluger Mensch wie Sie so etwas Dummes machen?«
Ich rutschte auf meinem Sitz herum und wartete, dass mir eine Antwort einfiel. Falls er Einzelheiten der Textkritik erfuhr – etwa wie übel ich meine Mitschüler beschimpft hatte –, würde Shankly vielleicht Slim vorwerfen, er sei mir gegenüber zu nachsichtig, und Slim in Schwierigkeiten zu bringen, war das Letzte, was ich wollte. Da war eine Antwort: »Nun, für einen Menschen meines Alters gibt es nichts Schlimmeres, als dass die anderen denken, man sei ein guter Junge.«
Wieder fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare, zweimal über jedem Ohr, und dabei bewegte er den Mund, dass es aussah, als hätte er Mundwasser darin. Ein wenig unheimlich, der Mann.
»Mit dem Trinken wollten Sie also demonstrieren, dass Sie böse sein
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