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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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immerhin, dass er auf meiner Seite war. Es war kein Geheimnis, dass Slim Mr.   Shankly nicht mochte. Ich versuchte, ihm mit den Augen »Bitte helfen Sie mir« zu signalisieren.
    »Komm rein, Steven.« Slim schloss die Tür. »Was machst du denn hier?«
    »Ich habe gerade eine Vorbereitungsstunde. Ich habe mir um James Sorgen gemacht.« Slim setzte sich auf den zweiten Besucherstuhl. »Ich habe Mrs.   Stinson gebeten, mir seinen Stundenplan zu zeigen, damit ich ihn suchen konnte, doch dann sagte sie, er sei hier.«
    »Weshalb hast du dir um ihn Sorgen gemacht ?«
    Ich mischte mich ein. »Ich bat ihn um die Erlaubnis, auf die Toilette zu gehen, bin dann aber nicht zurückgekommen. Er wusste bestimmt, dass mir das nicht ähnlich sah.« In Slims Augen flackerte so etwas wie Verstehen auf.
    »Warum erzählen Sie ihm nicht, was Sie auf der Toilette gemacht haben?«
    »Ich habe einen Schluck Alkohol getrunken. Tut mir leid, dass ich das während des Unterrichts getan habe.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Ist schon in Ordnung ? Das findest du in Ordnung ?«
    »Sei nicht so streng mit ihm, Bill. Vor zwei Tagen wurde sein Dad beerdigt.«
    [169]  »Oh. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    »Ich wollte keine Extrawurst.«
    »Die kriegen Sie auch nicht. Es tut mir wirklich leid, das zu hören, aber es ist keine Entschuldigung für Ihr Verhalten.«
    »Wirklich nicht?«, fragte Slim. »Ein bisschen?«
    »Er hat gegen das Gesetz verstoßen. Soll ich ihn da ungeschoren davonkommen lassen?«
    »Nein. Ich sage nur, ein wenig Mitgefühl wäre angebracht. Er ist ein ausgezeichneter Schüler.«
    »Danke sehr«, sagte ich. Slim nickte.
    Das Telefon klingelte. »Ja…« Der Rektor notierte sich etwas, legte dann auf und sagte: »Wieso hast du ihm keinen Passierschein gegeben?«
    »Verzeihung«, sagte ich.
    »Stimmt, schuldig. Ich habe ihm keinen Passierschein gegeben.«
    »Wir hatten dieses Thema doch schon mehrmals, Steven.«
    »Vielleicht sollten wir später darüber reden.«
    »Du hast vor einem Schüler in Zweifel gezogen, wie ich meine Arbeit mache, und mir gesagt, ich solle nicht so streng mit ihm sein. Meines Wissens bin ich der Schulleiter.«
    Ich konnte es nicht ausstehen, wenn Leute »meines Wissens« sagten. Man merkte, dass sie das für oberschlau hielten.
    »Na schön. ich werde ab jetzt mehr Passierscheine ausgeben«, sagte Slim mit fester Stimme. »Können wir uns jetzt bitte auf James konzentrieren?«
    »Nicht nur mehr Passierscheine. Jedes einzelne Mal, wenn einer deiner Schüler während des Unterrichts den [170]  Flur betritt, braucht er einen Passierschein. Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
    »Dann gib mehr Passierscheine aus. Wir bekommen nicht einmal genug für alle Schüler.«
    »Genau. Wenn wir die Anzahl der Passierscheine begrenzen, begrenzt das die Anzahl der Schüler, denen wir Zugang zu den Fluren gewähren. Genau diesen Vortrag musste ich heute Morgen einigen deiner Kollegen halten, weil ich persönlich während der ersten Stunde irgendeinen Strolch erwischte, der unverfroren auf dem Jungsklo geraucht hat, und dafür mache ich unter anderem seinen Lehrer verantwortlich, der ihn ohne Passierschein ziehen ließ.«
    »Jetzt ist es also meine Schuld?«, fragte Slim.
    »Nein, es ist einzig und allein meine Schuld«, sagte ich. »Ich habe gelogen. In Wahrheit hat Slim mir keinen Passierschein gegeben, weil ich den Unterricht verlassen habe. Slim hat überhaupt nichts falsch gemacht.«
    »Warum haben Sie seinen Kurs verlassen?«
    »Weil meinen Mitschülern mein Roman nicht gefallen hat.«
    »Sie haben mir schon so viele verschiedene Versionen aufgetischt – Steven, was ist passiert?«
    »Du weißt doch, dass die Schüler bei mir ihre selbstgeschriebenen Texte gegenseitig kritisieren?«
    »Ja, und du weißt, was ich davon halte. Das ist was fürs College. Highschool-Kids sind damit überfordert.«
    »Jedenfalls wurde heute James’ Text kritisiert, und die Schüler haben ihn hart rangenommen, worauf er nicht sehr abgeklärt reagierte, und als es ein wenig hitzig wurde, hab ich ihn auf den Flur hinausgeschickt und ihn gebeten, sich [171]  nach der Stunde mit mir zu unterhalten. So war es wirklich. Als er nach dem Unterricht nicht wiederkam, hab ich mir Sorgen gemacht.«
    »Somit haben wir jetzt Alkoholtrinken in der Schule, Aufsuchen der Toilette ohne Erlaubnis des Lehrers und wiederholtes Belügen des Schulleiters. Wie möchten Sie sich jetzt dazu äußern?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich ratlos.

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