Ich gegen Osborne
Magensonde gelegt.
Je merkwürdiger mein Privatleben wurde, desto merkwürdiger wurde ich. Ich fing an, zu den alten, schwarzen [203] Anzugschuhen meines Dads ständig eine Lederjacke zu tragen, und ich brachte absichtlich meine Haare durcheinander und wartete darauf, dass Leute Kommentare dazu abgaben. Mein Interesse erlahmte, meine Mitschüler zum Lachen zu bringen. Statt als Publikum, dessen Zustimmung ich suchte, sah ich meine Mitschüler jetzt als verzogene kleine Kinder. Als sie andeuteten, ich führte ein tolles Leben, weil ich in einer hübschen Vorstadt wohnte, meine Eltern Geld hätten und ich mir keinen Job suchen müsse, hätte ich sie umbringen können. Fast über Nacht hieß die zentrale Frage meines Lebens auf der Highschool: Was kam zuerst? Dass ich nichts mit ihnen zu tun haben wollte oder sie nichts mit mir? Meine Mom merkte, was da ablief, und ihr gefiel nicht, dass ich zu einem schlechtgekleideten Wesen mutierte, das kaum einmal sein Zimmer verließ. Sobald ich den Führerschein hatte, ermunterte sie mich, mit den anderen schlechtgekleideten Kids um die Häuser zu ziehen. »Wenn du mal ausgehen willst, Liebling, egal wann, nimm den Wagen und fahr, wohin du willst«, sagte sie dann. Doch ich wollte nicht. Ich war ein Stubenhocker.
Am letzten Schultag meiner elften Klasse vor den Weihnachtsferien (dem Tag, an dem Chris Farley starb), besuchte ich meine erste und letzte Teenagerparty, aber auch nur, weil ich wusste, dass ein Mädchen, das sich für mich interessiert hatte, dort sein würde (dieses Mädchen hatte inzwischen die Schule abgeschlossen). Es war nicht überraschend, dass ich als Einziger dort nicht trank, doch ich fühlte mich nicht sehr deplatziert, weil wir alle einer Punkband zuhörten, die in der Garage spielte, und bei dem [204] Krach konnte man sich nicht unterhalten. Doch als die Band immer betrunkener wurde, beschlossen die Musiker irgendwann, dass die Musik sie beim Trinken störte.
Ich saß da und beobachtete, wie die Augen der Leute sich veränderten und die Zungen sich lösten. Während um mich herum die Freude tobte, befand ich, um so mit dem Mädchen sprechen zu können, wie ich es wollte, könne es nichts schaden, ein Bierchen zu trinken. Während ich das tat, warf sich das Mädchen einem anderen Jungen an den Hals.
Zwei Stunden später war ich betrunken. Es fühlte sich ziemlich toll an, und es war nett, wie die Substanzen mir halfen, das Schlechte zu vergessen. Doch auf dem Gipfel meiner Trunkenheit rief meine Mom in dem Haus an, wo die Party war. Sie wollte mir mitteilen, dass man meinen Dad ins Krankenhaus gebracht hatte. Sie merkte jedoch schnell, dass ich getrunken hatte, und forderte mich auf, bis zum Morgen dortzubleiben. Es folgte mein schrecklicher Entschluss, dennoch zu fahren, die mit Abstand dämlichste Aktion meines ganzen Lebens. Wundersamerweise schaffte ich es bis ins Krankenhaus, aber nicht ohne mich vorher während der Fahrt vollzukotzen.
Im Krankenhaus sorgte ich für eine Szene. Meine Mom schrie auf, als sie mich sah, weil ich Gegrilltes auf mich gekotzt hatte, was sie für Blut hielt. Ich hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Sie musste mich nicht bestrafen; ich bestrafte mich selbst. In den restlichen Weihnachtsferien half ich entweder meiner Mom zu Hause oder verbrachte die Zeit im Krankenhaus, wo ich Romane lesen konnte, während ich bei meinem Vater saß.
Beim Lesen der Romane konnte ich für kurze Momente [205] vergessen, dass ich mich in einem Krankenzimmer befand. Bei der Gelegenheit vernarrte ich mich in die Vorstellung, Schriftsteller zu werden, und dieser Gedanke tröstete mich, wenn ich mich von allen anderen Jugendlichen abkapselte. Oder kapselten sie sich von mir ab? War das nicht egal?
Sie hatten Sex, und ich hatte den Tod. Mehr gab es nicht zu sagen.
Als ich an dem Tag nach der Party das Erbrochene von meiner Lederjacke wischen wollte, ekelte ich mich so, dass ich sie in die Mülltonne warf. Im Schrank meines Dads fand ich passenden Ersatz.
11 . 23 Als der Football von meinem Kopf abprallte, hob ich den Oberkörper von der Tischplatte. Ich hatte es genossen, ihnen zuzuhören, wie sie sich gegenseitig Schwuchtel nannten, und weil ihr derbes Gequassel keine Pausen kannte, klang es irgendwann wie Hintergrundrauschen oder wie das einlullende Summen eines Fernsehers, der in einem anderen Zimmer lief, aber natürlich durfte ich mich nicht entspannen, weil mich der Ball ja treffen musste.
»Verzeihung, Alter. Meine
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