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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Hoffentlich stößt dich so ein Ultimatum nicht vor den Kopf, aber nach allem, was heute schon passiert ist…
    Ich hasse es, dass dich die Leute so anglotzen. Ganz egal, was du in Panama City gemacht hast, sie haben bestimmt zehnmal Schlimmeres gemacht. Sie sind eine Bande verdorbener Tiere. Für sie besteht das Leben nur aus Ärschen. Sie sind Körper, weiter nichts. Du hast immer noch ein Hirn. Wenn das nicht der Fall wäre, würde ich mich nicht mehr für dich interessieren.
    Ja, von den Gerüchten über dich in Panama City ist mir schlecht geworden. Andererseits lässt dein bloßer Anblick die Welt auf einmal erträglich erscheinen. Wenn du mich einfach »nicht so siehst«, wie die anderen es nennen, sag das bitte klar und unmissverständlich, damit ich eine Sorge weniger habe.
    Noch etwas könntest du für mich tun: Könntest du mir deine Antwort bitte in der sechsten Stunde geben? Du hast nämlich völlig Recht. Bald werden wir alt sein. Wenn wir das Leben miteinander fortsetzen wollen, dann sollten wir damit eher früher als später beginnen. Es gibt keinen Grund, das noch länger hinauszuzögern, als wir es ohnehin schon getan haben. Entweder sind wir zusammen oder nicht. Das Leben ist sowas von schrecklich kurz. Vermutlich führen sich deshalb alle so auf, wie sie es tun, was komisch ist, weil die meisten von ihnen den Tod nicht so kennen wie ich. Er war immer an meiner Seite und ist kein übler Kerl. Er wurde sogar mein Freund, der eine, auf den immer Verlass ist. Vor ihm sind wir alle gleich. Jeder Einzelne von uns ist auf dem Weg, [280]  zu Staub zu werden. Sogar Hamilton Sweeney wird eines Tages Staub sein. Tate Baker, Lauren Mellor und alle anderen: Staub. Hab ich dir je erzählt, dass ich an einer Stauballergie leide?
    Im Vertrauen,
    James
    P.S. : In 5000   Jahren wird sich dieser Brief selbst zerstören.
    12 . 44   Als der letzte Schüler seinen Test abgab, faltete ich den Brief zu einem kleinen Rechteck und steckte ihn in meine Tasche zu Chloes Brief und dem Papierdreieck. Ich konnte ihn ihr unmöglich geben, und deshalb hatte ich genau das schreiben können, was ich wollte. Ich wollte das Mädchen bitten, mit mir auszugehen, so wie ich es fünf Stunden zuvor auf dem Parkplatz hatte tun wollen. Ich wollte ein »Ja« oder ein »Nein« hören, und zwar noch heute. Doch noch während ich es schrieb, wurde mir klar, dass sie auf ein Ultimatum vielleicht ablehnend reagieren würde, so wie ich wusste, dass es ein schlecht geschriebener Brief war. Ich war ein schrecklicher Briefschreiber. Mein Brief wäre in meinem aus Schülermüll bestehenden Kunstwerk am besten aufgehoben.
    »Habe ich alle Tests?« Mr.   Hulette stapelte die Tests ordentlich übereinander und packte sie in seine Aktentasche. »Nehmen Sie Ihre Bücher heraus, und schlagen Sie die Seite 289 auf.« Mr.   Hulette holte dann sein eigenes Deutschlehrbuch heraus und leckte vor dem Umdrehen einer Seite jedes Mal die Fingerspitze an.
    »Welche Seite sagten Sie?«
    [281]  »289. Oh, großartig. Anscheinend darf ich heute über den Konjunktiv reden.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Ich dachte mir nur, ehe Sie anfangen, sollte man nicht jemandem von dieser Gefahr für Patrick Pippin erzählen?«
    »Wem sollten wir das erzählen?«
    »Ich weiß auch nicht. Der Verwaltung? Der Polizei?«
    »Ich habe festgestellt, dass man sich in solche Dinge besser nicht einmischt.« Wieder war mir nicht klar, ob er einen Witz machte oder nicht. »Sagen Sie es ihnen doch, wenn Sie wollen.«
    Dann stürzte er sich auf den Unterrichtsstoff, bei dem es um höfliche Bitten ging. Wenn ich das richtig sah, waren Deutsche höfliche Leute. Dem Sprecher standen spezielle Pronomen und Verbformen zur Verfügung, um gute Manieren oder Förmlichkeit auszudrücken, außerdem gab es das vielseitig verwendbare höfliche Wort bitte, das auch so viel wie »gern geschehen« oder »schon in Ordnung« bedeuten konnte. Mr.   Hulette sagte, wenn man bei Gesprächsversuchen mit einem Deutschen möglichst oft ein bitte einstreute, könne eigentlich nichts schiefgehen.
    Während der gesamten Unterrichtsstunde saß er an seinem Pult und stand kaum einmal wegen irgendwas auf. Als er erklärte, wie man eine Form von würde mit dem Infinitiv eines Verbs kombinierte, schweiften meine Gedanken ab. Auch ich hatte Schwierigkeiten, im Unterricht aufmerksam zu sein, genau wie die anderen. Ich dachte daran, wie sich jetzt nicht ein, sondern zwei Abschlussballgerüchte in der Schule

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