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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Österreich, Deutschland oder Schweiz – das ist mir ganz egal. Solange ich nicht hier war, könnte es mir überall gefallen.
    [288]  12 . 52   Mr.   Hulette schob eine Kassette in den Videorekorder. Ein- oder zweimal in der Woche zeigte er uns ein Video, das zum Lehrstoff passte. Wenn ich mich in der Schule entspannen konnte, dann beim Videosehen. Denn wenn die Beleuchtung ausging, sah mich niemand, und man erwartete nichts von mir. Seit meiner Zeit auf der Grundschule Blessed Sacrament hatte ich Filmvorführungen genossen, wo man uns Sachen wie Slim Goodbody oder Der tapfere kleine Toaster gezeigt hatte.
    In dem Video sah man zwei deutsche Jugendliche, die sich in der Bibliothek unterhielten. Ich fand das Mädchen, Sophie, attraktiv – zwar nicht umwerfend, doch dass jemand in einem Lehrfilm immerhin halbwegs attraktiv war, ließ sie nur noch bezaubernder wirken –, und sie hatte einfach eine gewisse Ausstrahlung. Jedes Mal, wenn wir uns diese Videos ansahen, fragte ich mich, ob ich sie wohl irgendwie kennenlernen könnte. Ich phantasierte gerade von ihr, als mir jemand auf die Schulter tippte.
    Ich drehte mich um und sah Amanda, die sich über mein Pult beugte.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass mir das mit deinem Dad wirklich leidtut«, flüsterte sie.
    »Oh. Danke.« Ich war ehrlich überrascht. Wir hatten nie viel miteinander geredet, und ich mochte nicht glauben, dass eine Freundin von Lauren Mellor nett sein konnte. »Vielen Dank für deine Anteilnahme.« Ich fragte mich, wie viele andere Schüler Bescheid wussten. Ich drehte mich wieder um und überlegte, wie sehr Amanda mich hassen würde, sobald sie erfuhr, was ich mit ihrem Abschlussball gemacht hatte.
    [289]  Es blieben noch etwa zwölf Minuten Unterricht. Eins war klar, ich musste Farbe bekennen, ehe dieser Kurs zu Ende war, denn dann würden all diese Schüler die Nachricht in ihren Kursen in der fünften Stunde verbreiten, und alle Schüler in diesen Kursen konnten es dann in den Kursen der sechsten Stunde weitertragen, so dass am Ende des Unterrichtstages alle die Wahrheit kannten und Pippin in Sicherheit sein würde.
    Sophie sah wie immer umwerfend aus, auch wenn ich bezweifelte, dass einer der anderen Jungs in meinem Kurs meine Bewertung teilte. Im Nu war das Video zu Ende, und als Mr.   Hulette es ausschaltete, gab er uns Hausaufgaben. »…Und die Fragen beginnen auf Seite 295.«
    »Auf welcher Seite?«
    »295. Und sie gehen bis 304.«
    »Das ist zu viel!«, rief ein Mädchen in einem T-Shirt der Kentucky Wildcats. »Einige von uns müssen arbeiten.«
    »Sie haben zehn Minuten, um jetzt schon damit anzufangen.«
    Einige Schüler befassten sich mit ihren Hausaufgaben. Andere unterhielten sich lieber.
    »Kriege ich etwas Klebeband?«, fragte ich Mr.   Hulette.
    »Warum nicht.«
    Er gab mir einen Klebebandabroller, und ich klebte meinen Brief an Chloe auf jeder Seite zu. Natürlich würde ich ihn ihr geben. Vermutet hatte ich es schon länger, doch jetzt war ich mir sicher: Ich würde mit meiner Enthüllung ernst machen; mir war die Formulierung »nichts mehr zu verlieren« eingefallen und ging mir nicht mehr aus dem Sinn.
    [290]  Während Mr.   Hulette jemandem einen Passierschein ausstellte, legte ich das Klebeband auf seinen Schreibtisch und ging zu Christy, um ihr meinen Brief zu geben. Ich vergewisserte mich, ob Madison zu uns herübersah; ich wollte nicht, dass er wusste, was ich tat. Doch er unterhielt sich gerade mit der Leichtathletin.
    »Würdest du das bitte Chloe geben?«
    »Klar. Aber gib mir nicht die Schuld für das, was sie in Panama City gemacht hat.«
    »Das war – du hast Recht. Das hätte ich nicht sagen sollen.«
    »Ich hab sie vielleicht eingeladen, aber was sie da unten gemacht hat, war allein ihre Entscheidung.«
    »Also hat sie da unten etwas gemacht?«
    »Nein. Ich habe nicht – dreh mir nicht die Worte im Mund rum.«
    »Kann ich mich darauf verlassen, dass du ihr den Zettel gibst, oder bist du gerade zu wütend auf mich?«
    »Ich gebe ihn ihr. Du sollst nur hinter meinem Rücken keinen Scheiß über mich reden.«
    »Das tut mir leid. Ich hoffe, du liest die Notiz nicht.«
    »Das mach ich nicht.«
    »Ich habe den Zettel zugeklebt, damit sie weiß, wenn du dich daran zu schaffen gemacht hast.«
    »Ist ja gut.«
    »Danke.«
    Ich kehrte auf meinen Platz zurück und fragte Mr.   Hulette: »Gibt es Universitäten in Deutschland, wo die Seminare auf Englisch abgehalten werden?«
    »Das weiß ich nicht.«
    [291] 

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