Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
Vom Netzwerk:
Niederlage würde ich nicht erleiden.
    Während der Unterricht seinen Lauf nahm, dachte ich [285]  mir eine halbwegs plausible Erklärung aus, wie ich die Absage des Balls bewerkstelligt hatte. Egal wie die Erklärung lautete, bestimmt würde ich der größte Außenseiter werden, den die Schule je erlebt hatte. Auch die ganze Stadt Vandalia würde mich verabscheuen. Ich würde wegziehen müssen.
    Ja! Ich würde umziehen müssen ! Ich würde umziehen müssen!, sagte ich mir auf Deutsch. Von Mutter gäbe es keine Einwände, dass sie als die Frau, die den König aller Parias geboren hatte, ebenfalls umziehen müsste. Wir würden ins Exil gehen. Entweder würden sie mich ins Exil schicken, oder ich würde von alleine gehen. Jawoll, stolz würde ich mich ins Exil verziehen! Die ganze Stadt müsste auf mich verzichten, und ich würde weit, weit wegziehen müssen.
    Ich könnte nach Deutschland ziehen.
    Das war kein Scherz. In etwas über einem Monat war die Highschool-Zeit zu Ende. Warum sollte ich mich nicht an einer Universität in Deutschland einschreiben? Zugegeben, ich beherrschte die Sprache noch nicht, aber ich konnte sie lernen. Es hörte sich an, als wäre es das richtige Land für mich. Mr.   Hulette sagte, in Deutschland gebe es, egal wo, überall eine Buchhandlung. Vandalia hatte nicht mal eine Buchhandlung. Und es sah nicht so aus, als hätten Chloe und ich eine gemeinsame Zukunft. So viel war klar.
    Mr.   Hulette sorgte für eine so entspannte, lockere Atmosphäre, dass keiner sich scheute, den Unterricht zu unterbrechen. Daher zögerte ich nicht und sagte: »Da es gerade um höfliche Bitten geht, habe ich mich gefragt, ob die Leute in Deutschland höflicher sind als hier.«
    [286]  »Keine Ahnung. Die meisten, denen ich begegnet bin, waren wohl höflich, schätze ich.«
    »Wie sind die Leute da drüben allgemein so drauf?«
    »Ein ganzes Volk lässt sich schwer über einen Kamm scheren.«
    »Das war eine dumme Frage. Ich meinte… Haben sie mehr Klasse als wir?«
    »Mir fiel auf, dass sich die meisten gut kleiden. Sie wären dort dennoch overdressed. Man sieht jede Menge Jeans.«
    »Ich meine die Art, wie sie sich benehmen. Benehmen sie sich stilvoll?«
    »Das würde ich sagen. Allerdings ist es so wie überall. Die meisten sind nett und höflich, doch es gibt immer einen Rüpel, der einem den Tag versaut. Als ich zuletzt drüben war und das Flugzeug verließ, gab es im Flughafen einen Kassierer, der unwirsch wurde, weil er mir Geld herausgeben musste. Sie mögen es nicht, wenn man ihnen große Scheine gibt. Warum fragen Sie? Wollen Sie auswandern?«
    »Ich bin nur neugierig.«
    »Wie sind die Frauen da drüben?«, fragte der Junge, der »Penis« übersetzen wollte. Ich war froh über seine Frage.
    »Ich weiß nicht. Die meisten, denen ich begegnet bin, waren nett.«
    »Aber sind sie scharf?«
    »Manche schon. Ich versuche, nicht darauf zu achten.«
    »Wie ist dort das Fernsehen?«, fragte Amanda.
    »Hab ich nie eingeschaltet. Wenn ich die Glotze anmache, egal, ob dort oder hier, sehe ich immer nur Werbung.«
    »Gibt es in Deutschland Flohmärkte?«, fragte der Hipster.
    [287]  »Klar. Ich war auf einem Flohmarkt, fand ihn aber nur deprimierend.«
    »Wieso?«
    »Ich finde alle Flohmärkte deprimierend. Der ganze Kram und die vielen Leute. In Deutschland war ich auf einem, wo nur jede Menge alter amerikanischer Popkultur-Plunder herumlag, den niemand haben will, außer man ist nicht bei Trost.«
    »Hören sie dort dieselbe schlechte Musik wie wir?«, fragte ich.
    »Sie hören unsere schlechte Musik und haben außerdem eigene schlechte Musik.«
    »Stimmt es, dass man da bei McDonald’s Bier kriegt?«, fragte die männliche Hälfte des überdrehten Paars.
    »Weiß ich nicht. Wahrscheinlich, aber Bier gehört dort bei den Mahlzeiten dazu, das ist also nichts Besonderes. Also dann. Zurück zu unserem Text…«
    Vielleicht wurde ich gar nicht in der falschen Zeit, sondern am falschen Ort geboren. Vielleicht erwartete mich mein Glück ja auf der anderen Seite der Welt. Ich stellte mir vor, wie ich mit meiner wunderschönen, aber unschuldig aussehenden Frau in einem Bierzelt an einem langen Tisch saß, vor mir ein helles Bier samt Schaumkrone. Wir mussten mit Fremden zusammensitzen, kamen aber schnell mit ihnen ins Gespräch, weil sie unsere Kinder so bezaubernd fanden. Unsere Kinder rannten herum und lachten hinter uns, während ein Akkordeon Edelweiß spielte, was zwar ein österreichisches Lied war, aber

Weitere Kostenlose Bücher