Ich geh jetzt in dein Karma rein
zum Schluss bedankte sie sich mehrmals bei mir für die Beratung. Heike rief mich zwar aus einer geschlossenen Abteilung an, doch sie war weitaus bodenständiger, freundlicher und ja, ich würde sogar fast behaupten normaler als einige andere meiner hartnäckigen Fälle, die sich in freier Wildbahn bewegen durften.
Eine Dame, der ich umgehend eine Einweisung in die geschlossene Abteilung ausgestellt hätte, war meine Kundin Lightangel. Ihr Anliegen war die sogenannte »Lichtnahrung«. Die Lichtnahrung (oder »Breatharianismus«) ist eine sehr umstrittene esoterische Methode, bei der die für den Menschen notwendige Energie nicht aus fester oder flüssiger Nahrung, sondern rein aus feinstofflicher Energie – nämlich Licht – gewonnen werden soll. Wissenschaftlich konnte bislang nicht nachgewiesen werden, dass man so tatsächlich dauerhaft überleben kann. Medizinisch gesehen würde diese Methode früher oder später zwangsläufig zum Tod führen.
Mit Lightangel hatte ich zuvor schon drei Gespräche geführt. Die Kundin war bereits länger damit beschäftigt, sich selbst zu finden und dabei die gesamte Palette der esoterischen Lebensmethoden auszuprobieren.
Lightangel: »Hallo Bianca, hier ist mal wieder die Bruni.«
Ich: »Hallo Bruni. Wie geht es dir, und was kann ich für dich tun?«
Lightangel: »Danke, sehr gut geht es mir. Ich habe heute eine Frage, zu der ich erst einmal gar nicht so viel erzählen möchte, um dich nicht zu beeinflussen.«
Ich: »Okay.«
Das machte mich ein wenig stutzig. Was jetzt wohl kommen würde?
Lightangel: »Schau mal bitte auf mich und meine Familie. Wir möchten alle zusammen eine Ernährungsumstellung machen. Mich würde interessieren, ob mein Mann, meine Kinder und ich das gut schaffen werden.«
In den Karten konnte ich nur mäßige Erfolge erkennen.
Ich: »Bei deinen Kindern wird es nicht funktionieren, und dein Mann wird ebenfalls nach kurzer Zeit das Handtuch werfen.«
Lightangel: »Schade. Werde ich es denn schaffen?«
Ich: »Du wirst auf jeden Fall länger durchhalten.«
Lightangel: »Ich habe mir ganz fest vorgenommen, das zu schaffen.«
Ich: »Darf ich fragen, um welche Art von Ernährungsumstellung es sich handelt?«
Lightangel: »Es geht um Lichtnahrung. Ich weiß nicht, ob du schon davon gehört hast?«
Ich hatte davon gelesen und war gelinde gesagt geschockt, dass es tatsächlich Menschen gab, die sich ernsthaft mit diesem absurden Quatsch beschäftigten.
Ich: »Äh … und was sagt dein Arzt dazu?«
Das war mir so herausgerutscht.
Lightangel: »Ich gehe deswegen doch nicht zum Arzt. Der würde das gar nicht verstehen und mir sicher davon abraten.«
Oder dich in Therapie schicken, dachte ich.
Ich: »Und was hast du genau vor?«
Lightangel: »Ich werde zehn Tage lang nichts essen und trinken, damit sich mein Körper daran gewöhnt, und danach nur noch Wasser zu mir nehmen.«
Ich: »Davon kannst weder du noch irgendein anderer Mensch auf Dauer existieren.«
Wenn das funktionieren würde, würden Milliarden von hungernden Menschen vor Freude in die Hände klatschen.
Lightangel: »Ja, das ist das, was alle Skeptiker sagen. Aber glaube mir, es klappt. Und überlege mal, wie viel Geld für Lebensmittel ich im Monat einsparen werde.«
Hätte ich vorher gewusst, um welches Thema sich diese Beratung drehen würde, hätte ich das Gespräch von Anfang an abgelehnt. Leider kann man aus den Karten nicht jeden Blödsinn ablesen.
Und wo wir gerade bei Blödsinn sind, bleiben wir doch noch ein bisschen und beschäftigen uns mit einem unsichtbaren Buch: der Akasha-Chronik.
Laut einer uralten indischen Überlieferung ist alles Geschehene auf einer feinstofflichen Ebene abgespeichert wie auf der Festplatte eines Computers. Diese universale Datenbank wird als »Akasha-Chronik« bezeichnet. Die darin enthaltenen Informationen sind unsichtbar und immateriell, sie enthalten alles über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der gesamten Schöpfung. Es handelt sich also um eine Art Weltgedächtnis. Angeblich gibt die Akasha-Chronik Auskunft über das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Leben eines jeden Menschen. Viele Esoteriker und Wahrsager nehmen neuerdings für sich in Anspruch, diese Aufsehen erregende Chronik lesen zu können.
Auch von mir verlangte man das hin und wieder. Ich wies die Anrufer dann freundlich darauf hin, dass ich eine Kartenlegerin war und aus keinem unsichtbaren Buch, dessen Existenz mehr als fragwürdig ist, die Zukunft
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