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Ich gehoere zu dir

Ich gehoere zu dir

Titel: Ich gehoere zu dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cameron W Bruce
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musste so oft an den Abend ihrer Flucht denken, dass es mir schon vorkam, als könnte ich den metallenen Türgriff in meinem eigenen Maul schmecken. Mutter hatte mir den Weg in die Freiheit gezeigt, und den konnte ich jederzeit beschreiten, wenn mir danach war. Aber ich hatte ein anderes Naturell als sie. Ich liebte den Hof. Ich wollte bei der Señora sein. Ich war ihr Toby.
    Mutter dagegen war so ungesellig gewesen, dass niemand sie zu vermissen schien. Die Señora hatte ihr nicht mal einen Namen gegeben. Manchmal schnüffelten der Schnelle oder Schwesterchen an der Mulde hinter den Bahnschwellen, wo sie meist gelegen hatte, aber auch sie schienen Mutter nicht zu vermissen. Das Leben ging auch ohne sie weiter.
    Und dann, als ich mich gerade an die neuen Verhältnisse gewöhnt hatte, aus dem Erwachsenennapf fressen durfte, von Carlos mit den angekokelten Knochen nicht mehr übergangen wurde und mich darauf verlassen konnte, dass die Señora ab und an in den Hof kam, um uns zu streicheln und etwas besonders Leckeres zu bringen, kam plötzlich der Neue.
    Er hieß Spike.
    Wir hörten die Türen des Lastwagens zuschlagen und bellten, obwohl es so heiß war, dass manche von uns, die einen schönen Schattenplatz ergattert hatten, nicht mal aufstanden. Das Gatter ging auf, und Bobby kam herein, einen sehr großen und muskulösen Rüden an der Stange. Jetzt kam trotz der Hitze Bewegung in den Hof.
    Eigentlich war es ziemlich beängstigend, wenn einem die gesamte Meute entgegenstürmte, aber der Neue zuckte mit keiner Wimper. Er war so dunkel und breitschultrig wie Rotty und so groß wie der Leithund. Er hatte den größten Teil seines Schwanzes verloren, aber selbst der Stummel, der ihm noch geblieben war, bewegte sich keinen Millimeter. Er stand einfach nur da, das Gewicht gleichmäßig auf alle vier Pfoten verteilt. Ein leises Knurren grummelte gefährlich in seinem Brustkorb.
    »Ruhig, Spike! Ganz ruhig!«, sagte Bobby.
    Ich beschloss, den anderen bei der Begutachtung des Neuen den Vortritt zu lassen.
    Der Leithund rannte nie mit der ganzen Meute los. Auch jetzt trat er ganz ruhig aus der schattigen Ecke am Wassertrog und bewegte sich langsam auf den Neuen zu.
    Bobby ließ Spikes Hals aus der Schlinge und sagte noch einmal: »Ganz ruhig, Spike!«
    Alle merkten, dass Bobby besorgt war, und seine Nervosität übertrug sich auf uns. Ich merkte, dass sich meine Nackenhaare aufstellten, aber ich wusste nicht, warum. Der Leithund und Spike inspizierten einander steifbeinig. Keiner von beiden war bereit, sich dem anderen unterzuordnen. Wir anderen schauten gespannt zu.
    Spikes Kopf war von Narben übersät, die sich als graue Krater und Knötchen von seinem dunklen Fell absetzten. Er hatte etwas furchtbar Unsympathisches an sich, und ich bekam es mit der Angst zu tun, und das, obwohl zunächst einmal alles so verlief, wie es sollte.
    Spike erlaubte dem Leithund, ihm den Kopf über den Rücken zu halten, wobei er sich aber keineswegs duckte oder einknickte. Dann ging er an den Zaun und setzte eine Duftmarke. Wir stellten uns hinter dem Leithund an, um anschließend ebenfalls an den Zaun zu pinkeln – alle an derselben Stelle, versteht sich.
    Als die Señora am Gatter auftauchte, verschwand ein Großteil meiner Angst. Manche von uns brachen aus der Formation aus, die wir im Gefolge des Leithundes eingenommen hatten, liefen zum Gatter und stellten die Vorderpfoten daran auf, um der Señora den Kopf hinzustrecken und uns von ihr streicheln zu lassen.
    »Na, siehst du«, sagte die Señora zu Bobby. »Er wird sich einfügen.«
    »Er ist ein Kampfhund, Señora. Er ist anders als die anderen«, sagte Bobby.
    »Du bist ein guter Hund, Spike, nicht wahr?«, rief die Señora ihm zu. Ich schaute eifersüchtig zu ihm hinüber, aber er schien es nicht zu würdigen, dass er so liebevoll angesprochen wurde. Was hätte ich darum gegeben, wenn die Señora gesagt hätte: Du bist ein guter Hund, Toby! Stattdessen sagte sie: »Es gibt keine schlechten Hunde, Bobby, nur schlechte Menschen. Wenn sie Schwierigkeiten machen, brauchen sie Liebe.«
    »Aber manche haben so einen Knacks, dass ihnen nicht mehr zu helfen ist«, widersprach Bobby.
    Die ganze Zeit über kraulte die Señora Coco gedankenverloren hinter den Ohren. Verzweifelt schob ich meine Nase unter ihre Hand, aber sie schien mich gar nicht zu bemerken.
    Später kam Coco mit einem Gummiknochen an, setzte sich vor mich hin und kaute hingebungsvoll daran herum. Ich ignorierte sie, weil ich

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