Ich gehoere zu dir
Seitenfenster auf. Aber es war nicht der Mann, sondern eine Frau mit langem schwarzem Haar. Sie sah wütend aus, und ich wich ängstlich zurück.
Als ihr Gesicht wieder verschwand, legte ich mich hin und hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Ich hatte nicht genug Kraft, um aufzustehen. Meine Beine waren schwer, und mir kribbelten die Pfoten.
Dann gab es einen großen Knall, und der ganze Wagen wackelte. Ein Stein schlug neben mir auf, rollte vom Sitz und fiel auf den Boden. Durchsichtige Kiesel regneten auf mich herab, und ein kühler Luftzug strich mir übers Gesicht. Ich hob die Nase, um mehr davon zu bekommen.
Ich war ganz steif und hilflos, als ich spürte, dass die Frau ihre Hände um mich legte und mich hochhob. Vor lauter Erschöpfung konnte ich nichts tun, als einfach nur schlaff in der Luft hängen.
»Armes Hundchen! Armes, armes Hundchen!«, flüsterte sie.
Wieso Hundchen , dachte ich. Ich heiße doch Stromer!
Sechs
Noch nie hatte sich etwas so gut angefühlt wie der kühle, frische Luftzug, der mich aus meinem traumlosen Schlaf weckte. Die Frau hielt eine Wasserflasche über mich und besprenkelte mich vorsichtig mit dem erquickenden Nass. Ich erschauderte vor Wonne, als es mir über den Rücken rieselte, und hob die Schnauze, um etwas davon aufzuschlecken, so wie früher am Wassertrog im Hof der Señora.
Neben der Frau stand ein Mann, und beide beobachteten mich besorgt.
»Meinst du, dass er es übersteht?«, fragte die Frau.
»Das Wasser scheint ihm gutzutun«, erwiderte der Mann.
Bei beiden spürte ich etwas von der unverhohlenen Bewunderung, die ich oft auch bei der Señora bemerkt hatte, wenn sie am Zaun stand und uns beim Spielen zusah. Ich rollte auf den Rücken, um mir von dem Wasser auch den überhitzten Bauch kühlen zu lassen, und die Frau lachte.
»Was für ein süßer Fratz!«, rief sie aus. »Weißt du, welche Rasse es ist?«
»Sieht aus wie ein Golden Retriever«, sagte der Mann.
»Süßer kleiner Fratz«, murmelte die Frau.
Na gut, dann hieß ich jetzt eben Fratz, auch wenn ich bis gerade eben noch Stromer hieß. Ich konnte jeden Namen annehmen. Hauptsache, er gefiel den Menschen. Als die Frau mich dann in den Arm nahm und an sich drückte, obwohl ich ihre Bluse ganz nass machte, küsste ich sie so lange, bis sie die Augen schloss und glucksend lachte.
»Ich nehme dich mit nach Hause, mein Kleiner. Da ist jemand, der dich bestimmt gern kennenlernen möchte.«
Es sah ganz so aus, als sei ich nun endgültig in den Rang eines Vordersitz-Hunds aufgestiegen. Auf der Fahrt setzte mich die Frau auf ihren Schoß, und ich schaute dankbar zu ihr auf. Aber ich war so neugierig auf meine neue Umgebung, dass ich nach einer Weile von ihr runterkroch, um den Rest des Wagens zu inspizieren. Das Erstaunlichste waren zwei Öffnungen genau vor mir, aus denen ein starker kalter Luftstrom kam. Weil mein Fell nass war, begann ich zu frösteln und schließlich zu zittern. Deswegen zog ich mich auf den Boden zurück, wo es so warm war wie an Mutters Seite, und machte erst mal ein Nickerchen.
Als der Wagen anhielt, wachte ich auf, und noch ganz verschlafen sah ich, dass sich die Frau zu mir herunterbückte und mich aufhob.
»Oh, was bist du für ein süßer Fratz!«, flüsterte sie. Sie drückte mich an ihre Brust und stieg aus. Ich hörte ihr Herz wie wild schlagen und spürte, wie aufgeregt sie war. Ich gähnte, um ganz wach zu werden, machte ein kleines Geschäft auf dem Gras, und dann war ich bereit, die Herausforderung anzunehmen, die uns offenbar bevorstand.
»Ethan!«, rief sie. »Komm mal raus! Ich möchte dir jemanden vorstellen.«
Neugierig sah ich zu ihr auf. Wir standen vor einem großen weißen Haus, und ich fragte mich, ob es dahinter wohl Zwinger gab oder vielleicht einen großen Hof für Hunde. Ich hörte aber kein Gebell. Vielleicht war ich hier der erste Hund.
Dann wurde die Haustür aufgerissen, und ein menschliches Wesen von einer Art, die ich noch nie gesehen hatte, kam auf die Veranda gerannt, sprang die Steintreppe herab und blieb wie angewurzelt im Gras stehen.
Fasziniert sahen wir einander an. Mir wurde klar, dass es sich um ein Menschenjunges handeln musste, ein männliches. Sein Mund weitete sich zu einem breiten Grinsen, und er streckte die Arme aus. »Ein Hund!«, jubelte er, und wir stürzten aufeinander zu. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich konnte gar nicht wieder aufhören, ihn abzuschlecken, und er konnte nicht aufhören zu lachen. So wälzten
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