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Ich gehoere zu dir

Ich gehoere zu dir

Titel: Ich gehoere zu dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cameron W Bruce
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umschwirrten uns, setzten sich auf unsere Augen und Ohren.
    Mitten in diesem Sumpf blieb der Junge einfach stehen und ließ Kopf und Schultern hängen. Als er ausatmete, entfuhr ihm ein tiefer Seufzer. So schnell der rutschige Boden es zuließ, lief ich zu ihm und legte ihm eine Pfote aufs Bein.
    Er resignierte. Er fühlte sich geschlagen und war bereit, sich zu ergeben. Sogar sein Lebenswille schien zu schwinden. Er erinnerte mich an meinen Bruder, den Hungrigen, der sich einfach in die Röhre gelegt hatte, um nie wieder aufzustehen.
    Ich bellte, was nicht nur den Jungen, sondern auch mich selbst aufschreckte. Seine glanzlosen Augen blinzelten irritiert. Ich bellte erneut.
    »Okay«, murmelte er. Lustlos zog er einen Fuß aus dem Sumpf und setzte ihn vorsichtig wieder auf, aber er sank wieder ein.
    Wir brauchten über einen halben Tag, um den Sumpf zu durchqueren. Als wir den Bach auf der anderen Seite wiederfanden, floss er schneller, war breiter und tiefer. Bald gesellte sich ein anderer Bach hinzu, kurz darauf noch einer. Der Wasserlauf wurde so breit, dass der Junge Anlauf nehmen musste, wenn er hinüberspringen wollte, weil umgeknickte Bäume unseren Weg mal auf der einen, mal auf der anderen Seite blockierten. Das Springen machte ihn müde, und irgendwann rollte er sich für mehrere Stunden zum Schlafen zusammen. Ich legte mich zu ihm und hatte fürchterliche Angst, dass er nicht wieder aufwachen würde, aber das passierte dann doch nicht. Allerdings dauerte es eine Weile, bis er ganz zu sich kam.
    »Du bist ein guter Hund, Bailey«, sagte er mit heiserer Stimme.
    Am späten Nachmittag mündete der Bach in einen großen Fluss. Der Junge blieb stehen und starrte lange auf das dunkle Wasser. Dann ging er mit der Strömung weiter. Hohes Gras und üppige Bäume bestimmten jetzt die Landschaft.
    Es begann Nacht zu werden, als ich Menschen witterte. Inzwischen schlurfte Ethan nur noch ziellos weiter und hob kaum die Füße vom Boden. Er fiel immer wieder hin, und jedes Mal dauerte es länger, bis er sich wieder aufrappelte. So verstand er auch nicht, warum ich voranpreschte und mit der Nase am Boden der Witterung folgte. »Bleib hier, Bailey«, murmelte er. »Wo willst du denn hin?«
    Ihm fiel auch nicht auf, dass wir einen Trampelpfad erreicht hatten. Er blinzelte nur in die Dämmerung und versuchte nicht zu stolpern. Ich konnte ihm auch keine Veränderung anmerken, als wir statt Gras einen richtigen Weg unter den Füßen hatten. Inzwischen roch es nicht mehr diffus nach Mensch, vielmehr konnte ich jetzt den Geruch verschiedener Menschen identifizieren. Es waren keine frischen Spuren, aber sie lagen genauso klar und deutlich vor mir wie die Spuren der Kinder, die in unserer Straße wohnten. Plötzlich richtete sich der Junge auf und atmete tief durch. »Hey!«, sagte er leise, als er den Weg erkannte.
    Ich wusste jetzt, wo es langging, und lief voraus. Ich merkte, dass der Junge Mut schöpfte, und das gab auch mir wieder Kraft. Bald bogen der Weg und der Fluss nach rechts ab. Die Nase am Boden lief ich weiter. Der Menschengeruch wurde stärker, und es kamen frischere Spuren hinzu. Erst vor Kurzem war jemand hier gewesen.
    Ethan blieb stehen, und ich lief zu ihm zurück. Mit offenem Mund stand er da und starrte auf etwas.
    »Wow!«, sagte er.
    Da entdeckte ich es ebenfalls. Über den Fluss führte eine Brücke, und als ich genauer hinsah, bemerkte ich einen Mann, der sich in der Dunkelheit am Brückengeländer entlangbewegte und suchend ins Wasser schaute. Ethans Puls beschleunigte sich, und ich konnte sein Herz klopfen hören. Doch gleich darauf schlug seine freudige Erregung in Angst um. Er wich zurück, eine Reaktion, die mich an die meiner ersten Mutter erinnerte, wenn wir bei der Jagd auf Menschen stießen.
    »Ganz ruhig, Bailey!«, flüsterte er.
    Ich war völlig verwirrt, aber ich spürte genau, wie Ethan sich fühlte, nämlich genauso wie an dem Abend, als er sich die Waffe geholt und alle Zimmer durchsucht hatte. Gespannt sah ich ihn an.
    »Hey!«, rief der Mann auf der Brücke. Ethan erstarrte, bereit, sofort davonzulaufen.
    »Hey!«, rief der Mann noch einmal. »Bist du Ethan?«

Zwölf
    Der Mann von der Brücke nahm uns im Auto mit. »Wir haben ganz Michigan nach dir abgesucht«, sagte er.
    Ethan senkte den Blick. Ich spürte seine Traurigkeit, seine Scham und immer noch etwas Angst.
    Wir fuhren zu einem großen Haus, und als wir ankamen, machte Dad uns gleich die Wagentür auf, und Mom umarmte Ethan.

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