Ich gehoere zu dir
zurückzudrängen. Ich musste wach bleiben, Mom brauchte mich.
Die Anspannung nahm im Laufe der nächsten Stunde noch zu. Zuerst geriet Grandpa in dieselbe Stimmung wie Mom, dann Grandma und schließlich auch noch Rick. Ich hatte das Gefühl, dass mir endgültig die Kräfte schwanden, aber ich musste etwas unternehmen, um meine Familie vor der diffusen Gefahr zu schützen, die sie zu spüren schien, und das gab mir neue Kraft.
Im nächsten Moment hörte ich den Jungen. »Bailey!«, rief er, platzte ins Zimmer, und augenblicklich wich die Anspannung. Da wusste ich, dass es das war, worauf die anderen gewartet hatten. Sie hatten wohl gewusst, dass der Junge zu uns unterwegs war.
Der Junge vergrub das Gesicht in meinem Fell und schluchzte. Ich nahm all meine Kraft zusammen, hob den Kopf und schleckte den Jungen ab, um ihm zu zeigen, dass mit mir alles in Ordnung war. Jetzt hatte ich keine Angst mehr.
Mein Atem fing an zu rasseln, und alle blieben bei mir und hielten mich fest. Es war ganz wunderbar, so umsorgt zu werden, aber plötzlich schoss mir ein so starker Schmerz in den Bauch, dass ich laut aufheulte. Der nette Mann kam herein und brachte eine neue Nadel mit.
»Wir sollten es jetzt tun. Bailey muss sonst unnötig leiden.«
»Gut«, sagte der Junge und weinte. Ich versuchte mit dem Schwanz zu wedeln, als ich meinen Namen hörte, aber ich merkte, dass ich ihn nicht mehr bewegen konnte. Dann spürte ich einen Stich im Hals.
»Bailey, Bailey, Bailey! Ich werde dich so vermissen, mein Schussel-Hund«, flüsterte Ethan. Sein Atem war warm und köstlich. Ich schloss die Augen, um ihn besser genießen zu können. Ganz deutlich spürte ich die Liebe des Jungen – und meine zu ihm.
Und dann waren die Schmerzen plötzlich wie weggeblasen. Nicht nur das. Auf einmal kam ich mir wieder wie ein ganz junger Welpe vor, voller Kraft und Lebenslust. Es war das gleiche Gefühl wie in dem Moment, als ich den Jungen zum ersten Mal sah, wie er mit weit offenen Armen aus dem Haus auf mich zugerannt kam. Als Nächstes musste ich an unser Tauchspiel denken, daran, wie es immer dunkler wurde, je tiefer ich tauchte, wie das Wasser auf meinen Körper drückte. Das gleiche Gefühl hatte ich jetzt. Ich konnte die Hände des Jungen nicht mehr spüren, sondern nur noch das Wasser. Es umschloss mich vollkommen und war warm und weich und dunkel.
Achtzehn
Die Erkenntnis traf mich erst, als ich den Geruch meiner Mutter längst identifizieren konnte und wusste, was ich tun musste, um mich, wenn ich hungrig war, zur Futterquelle vorzukämpfen. Meine Augen hatten sich bereits geöffnet, und langsam wurde mein Blick so scharf, dass ich ihr braunes Gesicht erkannte. Da kam mir schlagartig zu Bewusstsein, dass ich wieder ein Welpe war.
Nein, das stimmt nicht ganz. Es war eher so, dass ich ein Welpe war, der sich plötzlich daran erinnerte, dass er ich war. Ich war im Schlaf dahingetrieben, und es war viel Zeit verstrichen, in der ich nichts geträumt oder gedacht hatte. Doch jetzt betrachtete ich die Welt plötzlich mit den Augen eines sehr jungen Hundes. Und dennoch war ich gerade erst als dieser junge Hund geboren worden, musste um die Milch meiner Mutter kämpfen und wusste nichts von irgendwelchen früheren Leben.
Nun, da ich mich an alles erinnern konnte, war ich erst recht verwirrt. Mein Leben war so vollkommen gewesen, dass es keinen Grund zu geben schien, ein neues zu beginnen. Konnte es denn eine wichtigere Aufgabe geben, als den Jungen zu lieben?
Ich vermisste Ethan so sehr, dass ich manchmal vor mich hin winselte. Meine Geschwister hielten das für ein Zeichen von Schwäche und stürzten sich auf mich, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Es waren sieben, alle braun mit schwarzen Flecken, und ich fragte mich, wann sie wohl endlich begreifen würden, wer von uns die Nummer eins war.
Meist kümmerte sich eine Frau um uns, aber manchmal kam auch ein Mann zu uns in den Keller und fütterte uns. Er war es auch, der uns eines Tages, als wir ein paar Wochen alt waren, in einer Kiste in einen Hinterhof brachte. Ein männlicher Hund in einem Käfig beschnupperte uns, als wir zu ihm liefen, um ihn kennenzulernen, und ich erfasste instinktiv, dass dies unser Vater war. Ich hatte noch nie einen Vater kennengelernt und fragte mich, was er wohl mit uns anstellen würde.
»Er scheint sie zu akzeptieren«, sagte der Mann zu der Frau.
»Alles in Ordnung, Bernie? Willst du raus?« Die Frau öffnete Vaters Käfig. Offenbar hieß er Bernie. Er
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