Ich gestehe
Jahre alt.« Gaston betrachtete die Röntgenplatten. »Ihr Mann, ein Malermeister, wünscht sich so sehr ein Kind. Und nun eine Totaloperation! Für immer unfruchtbar.«
Bocchanini hob die Schultern. Er war ein mittelgroßer Mann mit weißen Haaren, die ihn älter aussehen ließen, als er in Wahrheit war. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Wie wollen Sie ein Uteruskarzinom entfernen, ohne den gesamten Uterus zu ektomieren? Zudem würde es immer zu Fehlgeburten kommen, auch wenn wir einen anderen Weg wüßten!«
Er sah mich an, als ich an den Tisch trat und die Visitenberichte hinlegte. »Die Frau liegt auf Zimmer 67, Dr. Parnasse. Wollen Sie die Operationsvorbereitungen übernehmen? Es wird schwer sein, ihr zu sagen, daß sie nie mehr Kinder haben wird. Mit dem Mann wird Dr. Ralbais sprechen. Ich möchte das Karzinom noch heute nachmittag angehen.«
Ich warf einen Blick auf Gaston, der noch immer die Röntgenplatten vor seine Augen hielt und anscheinend nach einer Methode suchte, das Karzinom ohne völlige Hysterektomie zu entfernen. »Wie soll ich ihr das sagen?« fragte ich ein wenig hilflos.
Prof. Bocchanini hob beide Hände. »Frauen finden da immer den richtigen Ton. Sie werden das schon können. Sagen Sie ihr vor allem die Wahrheit, die volle Wahrheit! Und verschweigen Sie nicht, daß wir Ärzte bei einem Krebs so gut wie hilflos sind und … und … Na, Sie wissen schon, was Sie sagen werden.«
Ich verließ schnell das große Chefzimmer und eilte durch die langen, weißen, kahlen Gänge der Klinik zum Zimmer 67.
Als ich vor der Tür stand, zögerte ich einen Augenblick, die Klinke herunterzudrücken und hineinzugehen. Eine Schwester kam aus dem Nebenzimmer und nickte mir zu.
»Was macht sie?« fragte ich leise und wies auf die geschlossene Tür.
Die Schwester hob die Schultern. »Sie glaubt, es ginge auch ohne Operation. Eine leichte Entzündung, denkt sie.« Sie schob die Augenbrauen zusammen. Ihr Gesicht war blaßgelb und hart. »Wollen Sie ihr jetzt die Wahrheit sagen?«
»Ich werde es müssen.«
»Krebs?«
»Ja.«
Die Schwester nickte. »Immer dasselbe. Wenn sie zu uns kommen, ist es meistens zu spät! Ich werde eine Herzspritze vorbereiten, falls die Wahrheit sie zu stark erregt.«
Ich nickte und öffnete langsam die Tür.
Das Zimmer war lang und schmal. An der rechten Wand stand das Bett, vor dem Fenster blühten Blumen. Gegen die hereinflutende Sonne hatte man die Vorhänge zugezogen. Es war warm in dem Raum und roch nach Schweiß und Urin. Anscheinend hatte man die Frau gerade katheterisiert. Sie lag in dem eisernen Bett, schmal, blond, jung und hübsch und las in einem Magazin. Als sie die Tür zuklappen hörte, legte sie die Zeitschrift auf die Decke und sah mich mit großen blauen Augen erwartungsvoll an.
»Ich bin Dr. Parnasse«, sagte ich und merkte, wie meine Stimme belegt war. »Ich wollte einmal nach Ihnen sehen.«
»Oh, danke.« Sie lächelte mich an, so sonnig und fast kindhaft dankbar, daß es mir in der Kehle würgte. »Mir geht es ganz gut. Was sagt der Professor?«
Ich setzte mich auf die Bettkante und nahm ihre kleine, zarte Hand. Die Haut war blaß, durchsichtig, man sah die feinen Adern und Sehnen auf dem Handrücken. Diese Hand hat gestreichelt, dachte ich. Sie hat einen Mann gefühlt, und ihre Finger krallten sich in den Rücken des Geliebten mit der ganzen überschäumenden Sehnsucht nach einem Kind. Und nun liegt sie hier. Prof. Bocchanini muß eine Hysterektomie machen und ihren Traum von einem Kind für immer zerstören.
»Wir werden nicht vermeiden können, Sie zu operieren«, sagte ich langsam.
Ihre Augen verloren den kindlichen Glanz, sie wurden dunkler, größer, von Entsetzen erfüllt. »Operieren«, sagte sie stockend. »Ist es so schlimm?«
»Aber nein, nein.« Es würgte mir im Hals, als ich das sagte. Seien Sie ehrlich, hatte Bocchanini mich ermahnt. Die volle Wahrheit! Krebs! – Ich konnte es nicht in diesem Augenblick. Die großen, blauen, entsetzten Augen ließen mich weiterlügen. »Wir müssen nur an den Herd der Blutungen heran. Das geht nicht von außen mit einer Kanüle. Wir müssen da schon in Ihren Bauch einen kleinen Schnitt machen.«
»Wird es eine große Narbe sein?« Sie wurde rot, als sie es fragte und nahm meine Hand. »Wir sind erst jung verheiratet, Frau Doktor. Und François ist so verliebt. ›Du hast den schönsten Körper, den ich je gesehen habe‹, sagt er immer. Und nun die Narbe. Wird man sie sehr sehen? Wird sie sehr
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