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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er.«
    »Aber nett! Wie er dir die Hand küßte – ich habe es hinter der Gardine gesehen – war er wie ein Mann vom Film.«
    »Brigit, du gehst zuviel ins Kino!« Ich lachte sie aus, und sie rannte in die Küche und klapperte so wütend mit dem Geschirr, während sie es spülte, daß ich glaubte, jeden Augenblick würde etwas zerbrechen.
    Die kleine Brigit, dachte ich. Mit achtzehn Jahren empfindet sie schon die prickelnde Nähe eines Mannes. Ich mußte lächeln bei dem Gedanken, Brigit in den Armen Gastons zu sehen. Die kleine, dumme Brigit mit den romantischen Träumen. Er war zu absurd, der Gedanke – damals –.
    Als ich später in meinem Bett lag und aus dem Fenster hinaus in den sternenübersäten Himmel sah, kam ich mir zum erstenmal einsam vor. So selbstverständlich war mir in dieser einen Nacht die Nähe Gastons geworden, daß ich mich jetzt verlassen fühlte, jetzt schon, und dabei war vorgestern noch nichts gewesen als ein gleichmäßiges Leben und das verbissene Streben einer jungen Ärztin, die gerade begann, sich im Leben umzusehen.
    »Sie haben jetzt Ihr Doktordiplom bekommen«, hatte der Rektor der Universität gesagt. »Und Sie gehen hinaus ins Leben als junge Ärzte, die das Ideal mitbringen, gute Ärzte sein zu wollen. Sie haben viel gelernt; Sie sind vollgestopft mit Wissen; Sie sind Theoretiker von großen Maßen; haben Sie den Ehrgeiz, auch blendende Praktiker zu werden. Aber Sie werden schon nach den ersten eigenen Schritten sehen, die Sie allein in die Welt der Krankheiten setzen, daß alles anders sein kann als das, was Sie hier gelernt haben. Wir konnten Ihnen nur das Fundament mitgeben. Das Haus müssen Sie sich jetzt allein bauen. Und jeder Baustein ist verschieden, jedes Stockwerk will mühsam errichtet werden. Das Leben eines Arztes ist ein ständiges Bauen an sich selbst und an dem Wall gegen Krankheit, Elend und Tod. Sie werden immer im Kampf stehen, Sie werden die lebenslänglichen Soldaten an der vordersten Front sein, und dazu gehört Ausdauer und Mut. Vor allem Mut. Diesen wünsche ich Ihnen allen. Nur der mutige Arzt wird zum Sieger über den Tod!«
    Das hatte Prof. Charles de Costa gesagt, der greise Rektor der Universität und der Dekan der medizinischen Fakultät. Und mit dem Willen zum Mut bin auch ich hinausgetreten und traf ausgerechnet auf Gaston Ralbais. Und es war vorbei mit dem Mut und dem festen Willen. Ich habe in seine Augen gesehen, ich habe seine Lippen gefühlt, ich habe mich in seinen Armen ausgeruht und dem Schlag seines Herzens gelauscht. Was ist da jetzt noch übrig geblieben von der revolutionären Ärztin Gisèle Parnasse? Der Kämpferin gegen den Tod? Ich trage meinen Doktortitel, ich trage einen weißen Mantel mit einer Brusttasche, aus der sehr wissenschaftlich die Gummischlangen des Membranstethoskopes heraus baumeln, ich habe weiße Schuhe an, wenn ich den OP betrete, und ein fahrbarer Verbandskasten wird von einer Schwester hinter mir angerollt, wenn ich von Krankenzimmer zu Krankenzimmer gehe und Visite mache. Ja, das alles ist geblieben. Dieses Äußerliche meines Berufes, das Sichtbare, das für den Patienten so Erhabene. Aber innerlich? Wo sind meine Gedanken, wo sind meine Wünsche, wo ist mein Ehrgeiz, was füllt meine Träume aus, was empfinde ich, was sehe ich und nach was strebe ich?
    Gaston – nur Gaston ist da! Nichts als Gaston!
    Und das alles schon nach einer Nacht.
    Mein Gott, wohin soll das führen? Wie soll das bloß weitergehen?
    Ich weiß bis heute nicht, was Fioret, ausgerechnet Fioret, dessen Name allein bei Gaston genügte, Abscheu zu erregen, bewogen hatte, plötzlich in Bocchaninis Klinik aufzutauchen.
    Natürlich war er wieder zu drei Viertel betrunken, rülpste die Pfortenschwester an und nannte einen Assistenzarzt, den sie per Klingelruf sofort zur Verstärkung bat, einen blaßhäutigen Onanisten, der gefälligst aus dem Weg gehen solle, wenn ein Gynäkologe wie er in eine Klinik käme.
    »Jedes Portio-Karzinom sieht besser aus als Sie!« randalierte er in der Eingangshalle. Als zur Verstärkung drei Krankenpfleger auftauchten, mit hochgekrempelten Ärmeln, ging er in Boxerstellung und lachte dröhnend.
    »Nur heran! Heran!« brüllte er. »Ich war Juniorenmeister im Weltergewicht! Schwester Vulva«, damit meinte er die brave Pfortenschwester, die sofort blutrot im Gesicht wurde, »alarmieren Sie die Unfallstation. Die Kollegen werden Arbeit bekommen! Schiefe Nasen, gebrochene Kinnladen, nach hinten geschlagene

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