Ich gestehe
leisen Wind, der über das Meer zu mir hinwehte und den Geruch des Wassers mit sich trug. Von der Blumenterrasse des Cafés ertönte die Tanzmusik, vom Strand herüber schallte das Lachen der Badenden und das Knattern der Motorboote, die in rasender Fahrt die Wasserskiläufer hinter sich herzogen und sie durch die spritzende Gischt schleuderten.
Schnell ging ich in unser Hotel und legte mich aufs Bett. Den ganzen Tag über blieb ich liegen und las, hörte aus dem Radio die Musik oder saß am Fenster, starrte auf das bunte Leben unter mir und beneidete die Menschen, die sorglos durch die Sonne sprangen. Ich ließ mir das Essen auf das Zimmer bringen und erklärte, mir sei unwohl. Am späten Abend rief ich im Krankenhaus an. Gaston schlief wieder nach einer Injektion, die man ihm wegen des verstauchten Armes gegeben hatte. Es gehe ihm gut, sagte der junge Stationsarzt. Ich hängte ein und saß in der Einsamkeit der Dunkelheit am Fenster und wagte mich nicht mehr unter die Menschen.
Vom Miramar herüber leuchteten die Lampions und die langen Reihen der bunten Lämpchen. Auf einer blitzenden Tanzfläche drehten sich tanzende Paare in großer Abendtoilette. Eines der großen Strandfeste von Juan les Pins. Ich konnte den Hollywoodstar Yvonne Saltas erkennen, den Reeder Ariston, den Zündholzmillionär Ingo Barkaley und die ewig ruhelos umherreisende Millionärswitwe Diane Constantino. Sie alle waren da und tanzten unter den Lampions des Miramar – und ich saß hier am Fenster, den Geliebten verletzt im Krankenhaus, selbst unter Mordverdacht, von den anderen Menschen gejagt, ohne daß sie wußten, wer es war, den sie jagten. Da legte ich den Kopf auf die Arme und weinte. Wirklich – nach allen Aufregungen, nach allen Schlägen des Schicksals fand ich erst jetzt die Tränen. Sie erlösten mich von dem inneren Druck, sie schwemmten alles weg, was mich bedrängte, ich wurde frei durch diese Tränen und lag schluchzend am Fenster, eine Frau, die ausgezogen war in den herrlichen Süden, um wunschlos glücklich zu sein und der ihre eigene Schönheit, nach wenigen Stunden bereits, nur Fluch und Wehmut gebracht hatte.
Nach sechs Tagen erst wurde Gaston entlassen. Er trug den Arm noch in der Binde, und ich stützte ihn, als wir durch den Abend zu dem Hotel schlichen. Ja, wir schlichen … wir mieden die lauten Wege und die bevölkerten Promenaden. Wir umgingen die großen Hotels und Cafés und pirschten uns von den Felsen her an unser Hotel heran, das wir auch durch den Boteneingang betraten und über die Hintertreppe hinaufeilten, bis wir in unserem Zimmer waren und uns, nachdem wir uns eine Weile stumm angesehen hatten, innig küßten.
»Wie Verbrecher«, sagte Gaston leise, als er sich in den Sessel setzte, und ich ihm half, seine Jacke auszuziehen. Er sah mich ernst an und zog mich dann zu sich auf den Schoß. »Gisèle – ich muß dir etwas sagen.«
»Ja, Gaston.«
Ich war ganz gespannte Aufmerksamkeit. Sein Blick war so ernst und tief, daß ich mit Recht etwas Außergewöhnliches in seinen Worten erwarten konnte.
»Ich habe dir etwas verschwiegen, Gisèle«, sagte Gaston langsam. »Als ich das zweite Mal bei Botu war und ihn untersuchte, merkte ich, daß Parkett uns aus einem mir unbekannten Grund betrogen hatte: Botus Cyanose war nichts anderes als blaue Farbe, die Parkett ihm auf die Haut gestrichen hatte!«
Er sah mich an, als erwarte er einen Ausbruch des Erstaunens oder der Ungläubigkeit. Um mich nicht zu verraten, sprang ich von seinem Schoß auf und schlug mit der rechten Faust in meine linke Handfläche.
»So ein Schuft!« rief ich, und es gelang mir gut, die Wütende zu spielen. »So ein Scharlatan! Und warum hat er das getan?«
»Das habe ich nicht erfahren! Vielleicht wollte er es mir erklären, aber ich ließ Parkett nicht ausreden, sondern machte ihm Vorwürfe. In meiner Erregung bin ich dann fehlgetreten und den Weg hinabgestürzt.« Er wischte sich über die Augen, als übermanne ihn wieder die Erinnerung an den schrecklichen Sturz den steilen Pfad hinab. »Ja, so ist es gewesen, Gisèle …«
Er log so blendend, so ›wahr‹, so virtuos, daß ich ihm nicht widersprach, sondern seine Lüge als eine Tatsache hinnahm. Wieder berührte es mich irgendwie eigenartig, daß Gaston so fließend die Unwahrheit sagen konnte, auch wenn ich selbst ihn belog und mich herauswand aus allen verräterischen Situationen. Warum sagte er nicht die Wahrheit? Warum deckte er Parkett? Hatte ihm Parkett – wie er mir
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