Ich gestehe
kurz vor seinem Tode gestanden hatte – gesagt, daß er mich liebte, und Gaston wollte nun verhindern, daß ich es erfuhr? War er eifersüchtig?
In dieser Nacht, der letzten in Juan les Pins, lag ich wieder in seinen Armen. Wie ein Mensch, der lange gehungert und gedürstet hat, verbrannte Gaston unter meinen Liebkosungen und stöhnte ein paarmal vor Schmerz auf, wenn sein verletzter Arm ihn hinderte und die Wildheit unserer Natur in einem Furioso der Gefühle und Taten über uns zusammenschlug.
Als der Morgen dämmerte, lag ich wach an seiner Seite. Er schlief, den Kopf an meiner Schulter. Ich starrte in das fahle Morgenrot, das sichtlich röter und goldener wurde und durch das Fenster meinen nackten Leib einhüllte. In drei Stunden ging unser Zug nach Avignon, in drei Stunden war unser geheimes Märchen der Liebe zu Ende geträumt. War es wirklich ein Märchen, Gaston? Märchen enden mit dem Glück des Königssohnes und der Königstochter. Wir aber flüchten vor der Welt in die Masse und das Halbdunkel der Anonymität. Wir rennen fort vor der Schönheit und dem Glück im Märchen und behalten vielleicht nur das, womit ein Märchen beginnt, bei uns aber endet: Es war einmal …
Wie würde das alles werden? Gab es für mich, jetzt, da ich unter Mordverdacht stand, überhaupt noch ein Zurück in die bürgerliche Welt, aus der ich kam? Auch wenn ich unschuldig war, wenn die Ereignisse über mich hereinstürzten, ohne daß ich die Möglichkeit hatte, sie abzuwehren, auch wenn alles so plötzlich kam, so völlig sinnlos, wenn man es genau betrachtete … alle diese Wenns waren kein Schild gegen das Mißtrauen, das man einer Frau entgegenbringt, die mit einem rauchenden Revolver in der Hand vor der Leiche eines Mannes steht; allein in dessen Wohnung, hinter verschlossenen Türen.
Plötzlich ahnte ich, daß auch Gaston mir nicht glauben würde, wenn er die volle Wahrheit erfuhr. Auch er mußte denken, daß Parkett und ich uns heimlich getroffen und gefunden hatten, und daß ich ihn erschoß, erst dann erschoß, als er drohte, Gaston die Wahrheit zu sagen! So mußte es ausgelegt werden, so würde es auch heißen, und Gaston wäre kein Mann, wenn er dies nicht glauben würde! Alles paßte ja zueinander: Parketts blauer Diener, Gastons Aussprache mit John, der ihm sagte, daß er mich liebte und das Attentat an Gaston; und während er im Krankenhaus lag, wurde Parkett erschossen. Von mir! Braucht man da noch ein Motiv zu suchen? Ist nicht alles klar? Klarer, als ein Teich in der Sonne, klarer als ein erleuchtetes Fenster in der Nacht?
Und doch bin ich unschuldig! Hört mich doch – ich bin unschuldig! Wie oft soll ich es sagen, wie einfach wird alles, wenn man mir nur glauben wollte! Oh, glaubt mir doch. Ich weiß ja bis heute nicht, warum dies alles geschah! Nur wegen meiner Schönheit? Wegen meines Gesichtes, wegen meines Körpers?
Ich blickte an mir herunter. Nackt lag ich an Gastons Seite in den Strahlen der hellen Morgensonne. Ich sah meine Brüste, die Wölbung des Magens, den Nabel, die Erhebung des Leibes, die schlanken, langen Schenkel, die runden Knie, die Beine, die kleinen Füße. Deswegen also, dachte ich. Also nur deswegen …? Wegen des weißen, zitternden Fleisches, den Formen der Muskeln und Glieder, dem Pulsschlag in der Armbeuge und an der Innenseite der Oberschenkel, der warmen, flauschigen Geborgenheit meines Schoßes … Also nur deswegen?
Ich sah zur Seite. Gastons brauner Körper war an der Brust, an den Beinen und auf dem Rücken mit dunklen Haaren bedeckt. Triebhafte Natur atmeten seine Muskeln und die Formen seines Leibes. Ich betrachtete ihn lange und spürte, wie es heiß in mir emporstieg, wie meine Knie zuckten, meine Schenkel zitterten und meine Brust sich nach seinen Händen sehnte, nach seinen spielenden, zärtlichen, tastenden Fingern.
Wirklich nur deswegen, durchfuhr es mich. Alles geschieht nur deswegen! Alles! Alles! Das ganze Leben ist nur ein ›deswegen‹. Wir atmen, wir essen, wir arbeiten, wir trinken, wir lachen und wir weinen – nur deswegen. Es ist die urgewaltige Macht, die uns treibt, die alle Grenzen des Ichs sprengt, die keine Dämme kennt, sondern wie das Urmeer über alle Ufer spült und sich nur dem Gesetz der Gezeiten und dem Gesetz des Lebens und Sterbens unterordnet.
Gaston bewegte sich. Er drehte sich auf den Rücken, er öffnete die Augen, sah mich an, lächelte, dehnte sich … sein Körper war braun und behaart, triebhaft und schön. Da war ich nur noch
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