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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ehrlichste Mann der Welt.«
    »Gibt es das überhaupt? Einen ehrlichen Mann?«
    »Papa!«
    »Ich habe das Leben kennengelernt, Gisèle«, hatte Papa dann zum Abschluß des Telefonats gesagt. »Früher habt ihr immer abgewunken, wenn ich das sagte. Die Jugend weiß ja alles besser. Aber einmal kommt der Augenblick, wo auch ihr Jungen einseht, daß Lebenserfahrung wichtig ist und man sie nicht in einem Supermarkt kaufen kann. Ratschläge stehen nicht in den Regalen! Willst du einen Ratschlag von mir?«
    »Nein, Papa.«
    »Warum rufst du dann an?«
    »Nur, um dir zu sagen: Wir kommen nach Caissargues. Und daß du dich nicht wunderst, wenn Gaston mit dir unter vier Augen reden will.«
    »Mich dumm stellen, war immer eine Spezialität von mir«, antwortete Papa in seiner Art. »Ihr seid alle immer darauf reingefallen!«
    Nun stand Gaston Papa gegenüber … zwei Köpfe größer als er, sie schüttelten sich die Hand und tauschten die üblichen Floskeln aus. Ein Abtasten, das Zusammenfassen des ersten Eindrucks, den Papa immer für sehr wichtig hielt. Wen er auf Anhieb nicht mochte, der konnte auf den Händen über ein Seil tanzen – er beachtete ihn nicht. Als Arzt verschrieb er solchen Menschen grundsätzlich starke Abführmittel. »Vielleicht ist er ein anderer Kerl, wenn er sich ausgeschissen hat«, meinte er dann. »Eine gute Darmreinigung wirkt sich auch auf den Charakter aus!«
    Papa war einmalig auf seine Art. Wie Mama. Ich glaube, ich habe die besten Eltern!
    Mama lief wieder herum wie ein gejagtes Huhn, hatte Angst, ihr Braten brenne an, schenkte Wein ein und flüsterte mir zu, der Pudding wolle nicht steif werden. Eine Tragödie! Gerade Pudding konnte Mama so fabelhaft kochen.
    Brigit, die sonst immer Mama in der Küche half, benahm sich stur und wich nicht von unserer Seite. Sie starrte Gaston mit ihrem Puppengesicht geradezu unverschämt an und quittierte jeden Satz von ihm mit einem untergründigen, kaum hörbaren, aber doch im Raum bleibenden girrenden Lachen.
    Eine dämliche Gans!
    »Hilf in der Küche«, zischte ich ihr zu.
    »Ich denke nicht daran!« fauchte sie zurück. »Geh du doch!«
    »Wir sind hier Gäste.«
    »Ich auch! Gäste bei Papa und Mama! Mach dich nicht lächerlich!«
    Gaston erklärte kurz den Anlaß, daß sein Arm in einer Schlinge war und stellte alles so hin, als sei er auf einem glatten Felsen ausgeglitten. Wir Frauen, Mama, Brigit und ich, standen abseits und hörten zu. So war es eigentlich immer bei uns gewesen: Wenn Papa sprach, war er der Mittelpunkt, vor allem, wenn er mit Männern sprach. Überhaupt waren Männer – nach dem Prinzip des Bibelwortes: Er soll dein Herr sein! – für Papa der Glanzpunkt aller Schöpfung. Frauen sprach er eine logische und konstruktive Intelligenz ab. Daß ich Ärztin geworden war, mußte in seinen Augen auf einem Irrtum beruhen. So stellte er es wenigstens dar. In Wahrheit jedoch platzte er vor Stolz, zwei so hübsche und kluge Töchter zu haben, schon allein aus der einseitigen Erkenntnis heraus, daß diese Töchter nur von ihm die Intelligenz geerbt haben konnten.
    »Ich freue mich wirklich, daß Gisèle wieder bei uns ist«, sagte Papa zu Gaston. »Und daß Sie mitgekommen sind, Dr. Ralbais, trotz Ihrer vielen Klinikarbeit, finde ich fabelhaft. Ich habe neulich Ihren Bericht über die Behandlung einer Restempyemhöhle unter Vermeidung einer Entknochung gelesen. Ich bin kein Chirurg, das hat Ihnen Gisèle sicherlich erzählt, ich bin ein alter Praktiker und Landarzt, der verhinderte Fürze wieder zum Blasen bringt, Ihr Artikel aber hat mir trotzdem sehr imponiert. Wie die Medizin von Tag zu Tag fortschreitet! Einmal entdeckt sie das ewige Leben.«
    »Das wäre möglich. Zellbiologisch wären Alter von 150 Jahren möglich.«
    »Fürchterlich! Bei unserer kleinen Erde. Wir würden uns alle gegenseitig auffressen, um Platz zu haben!«
    Das erste Gespräch zwischen Papa und Gaston begann bereits zur Diskussion zu werden. Ich blickte Mama hilfesuchend an, aber sie zuckte nur mit den Schultern. Nach 35 Jahren Ehe mit Papa sind Eingreifmöglichkeiten längst erschöpft. Dagegen lauschte Brigit, als sängen Papa und Gaston die schönsten Opernduette. Sie benahm sich widerlich kindisch und aufdringlich. Ein Püppchen im weißen Kleid, das stumm aufforderte, mit ihr zu spielen.
    »Mein Braten!« rief Mama entsetzt und rannte in die Küche.
    Es war wie immer. Ich war zu Hause.
    Am Abend saßen wir dann allein zusammen, Gaston, Brigit und ich. Die Eltern

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