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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus dem Garten klang und ein weißes Perlonkleid den Hausweg hinabgewirbelt kam. Ein blonder Lockenkopf … weiße Arme … ein schlanker, feenhafter Körper … Ich schloß die Augen und klammerte mich an Gaston. Es war mir, als habe sich die Erde in einem gewaltigen Beben geöffnet.
    Die weiße Gestalt wirbelte uns durch die Sonne entgegen.
    Brigit …
    Mama war wie immer: Still, zufrieden mit dem Schicksal, wie es gerade war, glücklich, daß sie leben und ihren Mann versorgen durfte. Ihre Ansprüche ans Leben erschöpften sich in der Einhaltung des Tages- und Nachtrhythmus' ihres Daseins auf Erden. Sie hatte keine Wünsche, schon gar keine Forderungen an das Leben. Sie hatte zwei Kinder bekommen, hatte einen Mann, der als Landarzt überall beliebt war und gern etwas mehr Rotwein trank, als er sollte, und sie beobachtete mit glücklicher Zufriedenheit, wie die älteste ihrer Töchter auch Arzt geworden war und die Kleine, Brigit, sich zu einer begabten Künstlerin entwickelte. Das Leben war voll und rundherum glücklich. So sah es Mama.
    Welch eine wundervolle Frau in dieser rauhen, erbarmungslosen Welt!
    Mit Papa war das anders.
    Nicht, daß er ein Tyrann gewesen wäre, wie es so viele Väter sind, die auf ihre Autorität klopfen und sie als Fundament allen Lebens ansehen; nein, Papa war ein herzensguter Mann, der nur die Eigenschaft hatte, diese Güte immer zu verbergen und der alles tat, sie vor anderen zu verstecken.
    Das hatte ihn als Arzt gerade in dieser Gegend so berühmt gemacht. Die Weinbauern, ob sie nun als Arbeiter in den Kellereien arbeiteten oder selbst große Gutsbesitzer waren, wie etwa der Comte de Villier auf Château St. Blaisance – jeder war vor Papa gleich, ein Patient, der aus dem Boden der Provence gewachsen war und dementsprechend behandelt werden wollte.
    Das heißt: Papa war grob zu seinen Kranken. Er schnauzte sie an, wenn sie einen Diabetes hatten: »Friß und sauf weniger, du Selbstmörder!«, oder er sagte dem Grafen glatt ins Gesicht: »Wenn ich wie Sie schon 67 Jahre alt bin, Arthritis in den Knochen habe und ›Ständerpräparate‹ fressen muß, damit die Andeutung einer Männlichkeit überhaupt sichtbar wird, leiste ich mir keine Geliebte, die 23 Jahre alt ist! Sie haben Herzbeschwerden, Comte? Sammeln Sie Picassos oder Chagalls, aber keine jugendlichen Venusberge!«
    Jeder andere wäre daraufhin aus dem Schloß geflogen. Papa nicht. Er wurde immer wieder gerufen. Nicht nur als Arzt, auch als Schachpartner oder zu einer Weinprobe nach der neuen Ernte. Und als sich der Comte eine Orchideenzucht zulegte, sagte Papa: »So ist es richtig, Comte! Befruchten Sie Blumen … das können Sie noch.«
    Natürlich war Papa orientiert, wer da in sein Haus kam. Ich hatte ihm geschrieben und kurz vor unserer Abfahrt von Nizza noch schnell mit ihm telefoniert.
    »Dein Oberarzt?« hatte Papa mit strenger Stimme gesagt. »Bocchaninis rechte Hand? Gisèle, gab es keinen anderen Mann in ganz Paris?«
    »Du kennst ihn ja noch gar nicht, Papa!« hatte ich ins Telefon gerufen. »Ich bin so glücklich!«
    Es kostete mich etwas Mühe, das auszurufen. Parketts Tod saß uns ja allen im Nacken, und die Untersuchungen der Mordkommission waren noch nicht abgeschlossen. Ich blieb unter Beobachtung, ich mußte der Polizei immer angeben, wohin ich fuhr und ich mußte immer erreichbar sein. Bei Gaston lag die Sache anders. Ihn brauchte man als Zeuge, ob Parkett ihn wirklich mit Absicht den Felsweg hinuntergestoßen hatte.
    Mord und Totschlag nach allen Seiten, aber ich sagte dennoch: Ich bin so glücklich! Es war jedoch keine Lüge. Wenn ich an Gaston dachte, nur an ihn, war alles um mich herum nur Glück.
    »Er ist dein Vorgesetzter«, sagte Papa am Telefon.
    »Ist das ein Hindernis?«
    »Ich möchte nicht, daß meine Tochter zu einer typischen Krankenhausliebe wird«, sagte Papa. »Dazu bist du mir zu schade. Das mag altmodisch klingen, obwohl ich weiß, daß die neue Zeit da anders denkt. Ich kenne das alles, von wegen Emanzipation, Gleichberechtigung, Sexualität als Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter. Diese ganz moderne Moral kenne ich, die entdeckt haben will, daß die horizontale Lage der Psyche am besten bekommt!«
    »Papa«, sagte ich entsetzt. »Wie redest du auf einmal.«
    »Von Arzt zu Arzt, Gisèle – sage ich etwas Falsches?«
    »Gaston kommt zu dir. Wenn es nur eine Liebelei wäre, ein Abenteuer für ihn … er würde nie zu dir kommen, sondern dir ausweichen. Gerade Gaston. Er ist der

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