Ich gestehe
waren zu Bett gegangen, nachdem sie sich mit Gaston gut unterhalten und Vater ihn gebeten hatte, unser Gast zu sein, bis sein Arm ausgeheilt sei. Das war ein Beweis, daß er Gaston gern mochte, daß Gaston die erste Schlacht gewonnen hatte. Er wußte es, und ich erkannte es an seinen fröhlichen Augen, mit denen er den schweren Rotwein trank und in das Kaminfeuer blickte, das uns umflackerte. Sonst war es dunkel im Raum. Wir saßen auf Hockern am Feuer.
Eigentlich hätte ich glücklich sein müssen, so unendlich glücklich, wenn nicht Brigit gewesen wäre! Brigit, die ich weit weg wähnte oder zumindest in Paris, wohin sie enttäuscht von St. Brieuc zurückgekehrt sein mußte – wie ich dachte. Daß sie jetzt hier bei den Eltern war und bei uns am Kamin saß, zeigte mir die große Gefahr, in der sich unsere Liebe befand.
Wir sprachen lange Zeit kein Wort. Gaston sah in die Flammen, ich beobachtete Brigit, und Brigit starrte Gaston mit einer Intensität und Frechheit an, die es mir schwer machte, nicht aufzuspringen und ihr ins Gesicht zu schlagen. Aber ich beherrschte mich, mußte mich beherrschen, denn Gaston ahnte ja nicht, in welcher Situation er geraten war und was vorausgegangen war, ehe wir nach Juan les Pins fuhren.
In die Stille hinein wirkte die helle Stimme Brigits wie eine Explosion, als sie zu mir sagte:
»Also hast du mich doch belogen, Gisèle.«
»Was soll das heißen?« Ich fuhr auf. Ich dachte an St. Brieuc, aber es war unmöglich, daß Brigit wußte, von wem das Telegramm gekommen war. »Ich habe dich nie belogen!«
»Doch!« Sie nickte eifrig, und die blonden Locken fielen ihr dabei über die großen Augen. »Du hast gesagt, Herr Dr. Ralbais ist in deinen Augen ein eingebildeter Fatzke …«
»Brigit!« schrie ich dazwischen und wollte zu ihr stürzen.
»… und ein Ekel!« rief sie noch schnell, ehe ich sie erreichte und ergreifen konnte. Aber Gaston hielt meinen Arm fest, mit dem ich Brigit schlagen wollte und schob mich lachend zurück.
»Hat sie das gesagt, Fräulein Parnasse?« sagte er fröhlich. »Fatzke und Ekel?«
»Ja!«
»Es ist eine Gemeinheit! Ich habe in einem ganz anderen Zusammenhang …«
Gaston unterbrach mich mit lautem Lachen. »Dieses Ekel hast du nun auf dem Hals«, sagte er zu mir. Dann wandte er sich wieder Brigit zu. »Was hat sie noch über mich gesagt? Es ist interessant, zu hören, was man so alles sein kann.«
»Sie hat verhindert, daß ich Sie kennenlernte. Damals, als Sie Gisèle zum erstenmal nach Hause brachten, sah ich Sie, und ich fragte Gisèle, wer Sie seien. Ich wollte Sie gerne kennenlernen, aber sie hintertrieb es immer. Dabei sagte sie, Sie seien eingebildet, arrogant, na, und solche Dinge mehr. Dadurch habe ich Sie nie kennengelernt.«
»Wie schade, Fräulein Brigit.« Er legte den Arm auf ihre Schulter und diese Geste durchfuhr mich wie ein glühendes Geschoß. »Trösten Sie sich damit, daß Sie jetzt Ihren Schwager viel zu oft sehen werden.«
»Sie wollen Gisèle heiraten?« Sie sah ihn mit großen traurigen Augen an. »Aber Sie passen doch gar nicht zueinander.«
Wieder verhinderte Gaston, daß ich zuschlug. Er drängte mich an die Kaminwand und sah Brigit belustigt und gar nicht erstaunt an.
»Wie kommen Sie darauf?« fragte er sogar.
»Gisèle ist herrschsüchtig!«
»Das habe ich schon bemerkt.«
»Gaston!« rief ich warnend. »Brigit ist in einem Zustand, wo sie Scherze als Ernst aufnimmt.« Ich versuchte auch zu scherzen. »Ihr jugendliches, unerfülltes Temperament versetzt sie manchmal in eine sexuelle Schizophrenie.«
»Interessant, interessant«, meinte Gaston.
Brigit sah mich aus ihren hellen, blauen Augen wild und unbeherrscht an. »Ich weiß jetzt auch, warum du das alles gesagt hast: Weil du Dr. Ralbais für dich fangen wolltest! Die große Schwester hat das Vorrecht! Die Ärztin und die Dr. med.! Aber täusche dich nicht. Die Bevormundung hört jetzt auf! Ich bin selbständig genug, mich allein hochzuarbeiten! Ich habe in St. Brieuc den Auftrag für sieben Bilder und eine große Wandfreske bekommen! Das sind gute 100.000 Francs!«
»Was hast du …« stotterte ich. Ich hielt mich an der Wand fest und ich fühlte, wie meine Knie weich wurden. »Du hast in St. Brieuc …«
»Erst tat man so , als wisse mau von nichts … anscheinend, um den Preis zu drücken. Aber als ich das Telegramm vorzeigte, wurde man ganz anders, man sah meine Mappen durch und gab mir die Aufträge. Und 10.000 Francs als Vorschuß!«
»Das ist
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