Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
scharlachroten Buchstaben darauf anzuziehen.
Und die Schmach sollte noch nicht zu Ende sein: Zu Hause auf der Treppe lief ich meinem süßen Struwwelfrisur-Nachbarn in die Arme, der gerade einen Sechser Bier und mehrere Dosen Sekt die Treppen runterwuchtete. »Ich würde dir ja die Sterne zeigen,Caro, aber du bist ja leider verhindert«, rief er kokett im Vorbeirennen und zwinkerte mir dabei zu. Ich lächelte gequält zurück.
Ich meine, was erwarten die Leute von Schwangeren? Dass wir alle den ganzen Tag zu Hause sitzen und Blümchen auf rosa Babydeckchen sticken?
Darf man als Schwangere nicht mehr in die Disko und scheide ich jetzt sogar für alle anderen Männer außer dem Erzeuger meines Kindes aus? Ich meine, jetzt weniger auf der Fremdgeh-, sondern so mehr auf der Verehrer- oder Flirt-Schiene. Das ist doch total frustrierend! Hilf’ mir und sag mir die Wahrheit! Wie war das denn bei dir?
Liebe Caro,
nehmen wir mal an, du lebst so um die 90 Jahre lang. Was sind neun Monate dagegen? Ein Witz! Das heißt nicht, dass Partys nicht mehr erlaubt sind für dich. Es heißt: Es ist nicht schlimm, wenn dir Feste, Partys, Diskobesuche in diesem kurzen Zeitraum deines Lebens keinen Spaß mehr machen. Geh halt nicht hin! Du schreibst es doch selbst – dein Baby macht selbst Party in deinem Bauch. Ist doch auch cool! Ich weiß noch genau, wie sich das anfühlte, wenn meine Kleine ’ne Party feierte, im Bauch. Der ein oder andere Tanzschritt ging dann auch schon mal gegen meine Rippen, was mich aber nicht hinderte, bis kurz vor der Entbindung jede Party des WM-Sommers 2006 mitzunehmen. Da ging es quasi vom Dancefloor in den Kreißsaal.
Nur: Jede Schwangerschaft ist eben anders. Ich habe Freundinnen, die in ihrer Schwangerschaft hysterisch in Tränen ausbrachen, weil nur noch kohlensäurehaltiges Wasser im Kühlschrank stand und nicht mehr das geliebte stille. Oder die in halbstündiges Weltschmerz-Schluchzen verfielen, weil das bereits vorhandene Kind den Staubsauger aus der Steckdose zog. Wegen so was. Was sollen die in der Disko? Ich glaube, es geht dir bei deiner Frage um viel mehr als um die Tatsache, dass du schon jetzt die Tanzfläche gegen die Yogamatte getauscht hast und die Miss-Sixty-Jeans gegen die Frottee-Jogginghose. Du bist jetzt nicht mehr nur noch du. Du bist jetzt wir. Das ist gewöhnungsbedürftig.Nehmen wir das Beispiel Krankheit, um deinen Wir-Zustand zu beweisen. Plötzlich lautet die Formel nicht mehr: Mir geht’s schlecht = Antibiotika. Plötzlich heißt es: Mir geht’s schlecht + was kann ich meinem Baby zumuten = Wärmflasche. Es gibt viele weitere Beweise, beim Sport tauschst du die lateinamerikanischen Zumba-Rhythmen gegen den »Lass den Beckenboden leben«-Kurs ein, in deinem CD-Spieler läuft jetzt nicht mehr Elektropop, sondern Mozart, und statt der Partys mit deiner Freundin gehst du eben bald zu Krabbelgruppen, um dir den Vorwurf anhören zu müssen, die Kinder würden heute viel zu sehr gedrillt und frühgefördert. Dabei gehst du da gar nicht hin, weil dein Kind krabbeln soll, sondern weil du andere Muttis suchst, die deine Muttisorgen mit dir teilen …
Hast du jetzt Angst gekriegt? Okay, dann entspann dich mal wieder.
Das geht nämlich viel zu weit, was ich da geschrieben hab. Wieso soll dein Ungeborenes keinen Elektropop hören? Nenn’ mir nur einen Grund! Mach’ alles, was du vorher gemacht hast. Natürlich nur so lang, wie du dich gut dabei fühlst – und vielleicht lässt du den Bungee-Sprung in Nepal jetzt auch mal sein, aber du weißt schon, wie ich das meine. Ich bin am Anfang der Schwangerschaft auch weiter geritten, bis halt das Pferd mal durchging und ich fast im Elektrozaun landete. Dann dachte ich: Eine Pause schadet nicht. Aber es liegt durchaus in deiner Hand, wie sehr du dich einschränken und gehen lässt. Trotzdem gibt es natürlich auch ein paar gesetzliche Regelungen zu deinem Schutz. Im Mutterschutzgesetz mit der schönen Abkürzung MuSchG steht, dass du keine Wochenendarbeit verrichten darfst und deine Vorsorgeuntersuchungen in der Arbeitszeit wahrnehmen darfst. Das sieht gut aus auf dem Papier. Aber Paragrafen haben dich ja bislang auch nicht interessiert. Und ganz im Ernst: Wenn ich in der Broschüre ›Heben und Tragen Schaden‹ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin lese, dass »durchschnittlich kräftige Frauen« nicht mehr als fünf Kilo über längere Zeit tragen sollen, dann frage ich mich schon, wie wir die Schwangerschaft
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