Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
gewickelt, die die Gebärende in der Hütte unter ihm in der Hand hält. Kommt eine Wehe, zieht sie kräftig – ein Höllentrip mit erlösendem Ende für beide.«
(Zitat aus der Zeitschrift ›Nido‹)
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24.
Mein Haus, mein Kind, mein Wohnmobil?
Von der Angst vor’m Spießertum
Ach Lisa,
was habe ich nicht jahrelang über sie alle gelacht. Über die zickige Ex von meinem Freund, wie sie auf einem Urlaubsfoto im Neckermann-Bikini an einem Strohhalm aus einer Kokosnuss trinkt. Über die stillende Mutti neben mir auf der Parkbank, die sich über den herüberziehenden Qualm meiner Marlboro Lights beschwerte. Über die asexuell angezogenen Elternteile in Wachsjacken, die sonntags ihren Kindern beim Spielen zugucken, während sie selbst im Café gedeckten Apfelkuchen mit einem Berg Schlagsahne verdrücken.
Pah, dachte ich immer. Wenn wir mal Mama und Papa werden, dann bestimmt nicht solche, sondern so coole, sorglose Hippie-Eltern, die ihre Kinder im Rucksack von Bangkok huckepack bis in den Himalaja schleppen. Ohne Jack-Wolfskin-Ausrüstung. Schließlich gehören wir nicht zu den Paaren, die seit ihrem 20. Lebensjahr zusammen wohnen, einen gemeinsamen Bausparvertrag haben, Cordhosen tragen, Spieleabende veranstalten, sich beim Ortsamt wegen des Müllcontainers vor der Tür beschweren und nach einem schlechten Witz über sich selbst sagen: »Hach, ich habe da manchmal so eine sarkastische Ader.«
Nein, im Gegenteil!
Wir machen keine Pauschalurlaube, fummeln keine selbst geschmierten Leberwurststullen aus der Alufolie raus, tragen keine Snoopy-Hausschuhe, machen kein Nordic-Walking, schauen nicht Jörg Pilawa im Fernsehen, geben uns keine Spitznamen, benutzen beim Sex keine Sprühsahne aus der Dose, trennen den Müll nicht, lästern nicht über die Nachbarn, organisieren kein gemeinsames ›Tatort‹-Gucken mit Freunden als Wochenend-Highlightund haben auch kein Wochenendhaus am See, wo wir abends am halb erloschenen Grill Gitarre spielen.
Warum nicht, fragst du. Ganz einfach: weil wir keine Spießer sind. Deshalb!
Und das soll auch gefälligst so bleiben. »Na, dann mach doch«, könntest du jetzt sagen und das Thema wäre ad acta gelegt. Nur so einfach ist es leider nicht.
Nicht mehr!
Denn mit jedem Zentimeter Bauchumfang wächst in mir auch die Gefahr, doch dem Spießertum zu unterliegen.
Was ist, wenn ich es gar nicht merke? Was, wenn ich eines Tages aufwache und spießiger geworden bin, als man es sich für ein Christine-Neubauer-Drehbuch hätte zusammenschreiben können?
Warum ich Angst habe?
Nun, zugegeben stelle ich mit Voranschreiten meiner Schwangerschaft seltsame kleine Veränderungen an mir fest.
– Ich ärgere mich über Saufproleten, die nach 23 Uhr durchs Treppenhaus laufen und meinen leichten Schwangerenschlaf stören.
– Ich treffe mich sonntags morgens um 10 Uhr öfters mal wieder zum Brunch – was sowohl mit meiner spätschwangeren Bettflucht als auch mit meinem nicht zu bändigenden Appetit zu tun hat. Alles essen von Rührei bis Lasagne für 15 Euro? Geil!
– Ich frage die Barista im Coffee-Shop drei Mal, ob das auch wirklich koffeinfreier Milchkaffee mit Halbfett-Milch ist.
– Ich sage Bar-Nächte mit alten Freunden ab, weil ich »irgendwie total platt von der Woche bin«.
– Ich trage rosa Nike-Turnschuhe, weil die so gemütlich und praktisch sind.
– Ich freue mich schon, als Mutter die Pest auf jedem Schul-Elternabend zu sein.
So viel zu mir! Und ja, ich gebe es hiermit zu: Ich bin mittlerweile auf der Kippe zur gemütlichen Bald-Mami, der die Gören mit den Skateboards auf der Straße »Spießerin« hinterherschreien könnten. Ausgerechnet ich!
Wie kann ich das noch drehen? Muss es wirklich so weit kommen,dass ich mit Baby ein mittelmäßiges, berechenbares Leben führe? Oder sind alle Eltern automatisch versteckte Spießer, weil sie für das Wohl und die Rechte ihrer Kinder einstehen?
Oder mal anders gefragt: Warum schaffen sich nach der Geburt eigentlich alle so hässliche Familienkutschen an? So richtige Krümelschleudern, die man eigentlich mehr Wohnmobil als Auto nennt? Dabei nimmt EIN Kind doch gar nicht so viel Platz weg, dass es zum Beispiel nicht mehr in einen schnittigen Ford Mustang passt?
Also, wo fangen die Selbstaufgabe und das Spießertum denn eigentlich an? Wie verhinderst du und dein Mann, dass nicht alles im kompletten Chaos versinkt, aber wiederum auch nicht zu spießig wird? Oder findest du dich selbst längst spießig?
Ruhig Blut,
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