Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
plötzlich wieder ihrer Näh- und Schneiderkünste bewusst werden und aus Eigenantrieb versuchen, wieder erwerbstätig zu werden. Auf einschlägigen Babymessen stehen immer mehr Mütter hinter den Messeständen und bieten selbst entwickelte Produkte an. Kinder kriegen macht kreativ! Es schult in Krisenmanagement, Überstundentoleranz und Einfühlungsvermögen. Das müssen jetzt nur noch die deutschen Arbeitgeber kapieren.
DRITTE PHASE: STADIUM DER BELASTUNG.
JETZT WIRD’S DOCH ERST LUSTIG
27.
Stille Nacht, heilige Nacht –
Werde ich jemals wieder durchschlafen können?
Liebe Lisa,
wenn du denkst, du bist die Einzige von uns beiden, die mit drei kleinen Kindern zu Hause Mitleid für ihre Strapazen verdient, dann hast du dich geschnitten. Du kriegst kein Auge zu? Rate mal! Ich schlafe seit Wochen nicht mehr richtig – und es treibt mich langsam in den Wahnsinn.
»Entspannen Sie sich. Nutzen Sie die Zeit ab der 35. Schwangerschaftswoche, um sich vor der Anstrengung der Geburt auszuruhen.« Solche Sätze stehen in den Schwangerschaftsratgebern Dutzende. Würde ich ja gerne. Aber es geht nicht.
Jeden Abend ist es die gleiche Tortur: Ich warte bis ganz lang nach den ›Tagesthemen‹, bis kurz vor Mitternacht, bevor ich schlafen gehe. Manchmal mache ich sogar noch ein paar Yoga-Übungen vor dem Fernseher. Hauptsache, schön müde sein, denke ich mir. Dann dusche ich heiß, reibe mich sogar noch mit Lavendelöl ein (das Einschlafmittel meiner Kindheit!), schnappe mir mein Schwangerschaftskissen und lege mich ins Bett. Meistens schlafe ich dann auch nach einer halben Stunde ein. Und dann geht’s los: die nächtliche Odyssee. 1.02 Uhr: erster Pinkelgang zur Toilette. Dann wieder hinlegen. Richtige Schlafposition finden. Schwangerschaftskissen zwischen die Beine, um die schmerzenden Hüftgelenke zu entlasten. Kopfkissen wieder zurechtdrücken. Schlafen. Nein, verdammt, das geht nicht. Baby ist gerade aufgewacht. Und ist offenbar sehr unzufrieden mit Mamas Schlafposition. Als Nächstes spüre ich einen Tritt in die Rippen, der ihm dazu dient, sich zu drehen, um dann in rhythmischen Bewegungen mit seinen kleinen Babyfüßen mein Zwerchfell zu bearbeiten. Weil Baby bei jedem Tritt automatisch mit dem Kopf auch nach unten drückt, ist es nur eine Frageder Zeit, bis sich meine mittlerweile kirschkerngroße Blase, die nicht einmal mehr die Flüssigkeitsmenge eines Fingerhuts aufnehmen kann, wieder meldet. Also wieder raus ins dunkle kalte Bad, wieder zurück, Kopfkissen zurechtdrücken, Rolle zwischen die Beine – und den nächsten Einschlafversuch starten. So geht das dann pro Nacht schätzungsweise 20 Mal. Dazu das Kopfkissen, die Albträume, das Grübeln. In Indien sagt man, Mütter verarbeiten die Träume ihrer ungeborenen Babys mit. Auch das noch!
Klar, dass ich dann morgens völlig gerädert aufwache und tagsüber umso besser schlafe.
Und das tue ich auch.
Leider total ohne Hemmungen: in der Bahn, im Uni-Hörsaal oder einfach so, schön auf der Couch. Wenn dann das Telefon klingelt, versuche ich dann schnell zu sprechen, um nicht verschlafen zu klingen. Doch das klappt nie. »Ach, Caro, hast du gerade geschlafen? Dann rufe ich später noch einmal an.« Gelobt sei das Zeitalter des Chat- und E-Mail-Schriftverkehrs, in dem Mensch weniger sprechen muss.
Also, Lisa, jetzt mal zur Frage. Hattest du das auch? Wann hast du das erste Mal wieder ganz entspannt eine Nacht durchgeschlafen? Und mal ’ne blöde Frage aus Eitelkeit: Hinterlässt ein geschätztes Jahr Schlaflosigkeit Falten? Irreversible Augenringe? Erbitte deine Ehrlichkeit!
Liebe Caro,
da ist man schon neun Monate schwanger und dann kommt auch noch ein Kind! Viele Schwangere sind überrascht davon, im Ernst. Klar, sie wissen, sie bekommen ein Kind. Was das aber bedeutet, das wissen sie nicht.
Natürlich bedauere ich deine nächtlichen Eskapaden und natürlich ging es mir auch so. Dauernd musste ich raus aus dem Bett, zum Pipimachen, zum Bauch-Zurechtrücken, sehr ähnlich, wie du das auch schilderst. Und genau wie du machte ich mir Hoffnungen auf das Ende der Schwangerschaft. Dann würde ich endlich wieder normal sein können, ich sein können. Aber Pustekuchen.
Wobei, doch, als ich aufgeschnitten auf dem OP-Tisch lag und mir bei der Zwillingsgeburt das erste Kind entnommen wurde: das war so ein Moment des »Aaaaaaaaah«. Als würde man die Luft aus einem überspannten Luftballon lassen. Der Druck von innen durch zwei Kampfbuben war doch enorm gewesen
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