Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
meine Schwangerschaft. Das Baby war da noch viel zu ungreifbar für mich.
Mein Kreislauf existiert wahrscheinlich gar nicht mehr. Den ganzen Tag verbrachte ich im Dämmerzustand. Fernsehgucken ging auch nicht. Zu schnelle Bilder, zu wirr. Der erste Versuch, Glotze zu schauen, endete über der Kloschüssel. In der Nacht übergab ich mich fünf Mal zwischen 20 und 3 Uhr. Es war unsäglich, ich wollte nicht an Babys denken, nichts darüber lesen, kein Plärren von der Straße hören, einfach alles verdrängen. Einfach noch mal kurz inmeinen früheren Körper schlüpfen, unbesetzt. Was war da nur los? Die Hormone?
Die ersten Herztöne, der wachsende Bauch, die Überraschung im Gesicht meiner Eltern, Großeltern zu werden. Fantastisch. War ich allein, legte ich tatsächlich dann auch meine Hand auf meinen Bauch, ließ mich treten und war gerührt. Im Sommer meiner Schwangerschaft hatte ich dann auch tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben eine Bikinifigur, auf die ich stolz sein konnte, eine, für die ich nicht die Wampe einziehen, sondern sie rausstrecken konnte. Mein Babybauch. Ein Traum!
Der Kopf fühlt sich bei so einer Schwangeren-Übelkeit an, als sei er von innen durch Knetgummi blockiert und habe außerdem in der Nacht zuvor ungefähr sechs Caipirinhas und acht Liter Bier verkraften müssen. Alles ist matschig und langsam. Und jeder Gedanke führt zu noch mehr Schwindelgefühl. Beim Körper (dem Rest) ist das ein bisschen anders. Es fühlt sich so an, als sei eine fiese schwere Teerwalze einmal (von unten angefangen) komplett von innen über deine Organe gefahren und hätte sie alle vollkommen platt gewalzt. Und da die Organe dabei nicht ausweichen konnten (der Körper ist schließlich durch die stramme Haut begrenzt), drücken sie allesamt nach oben in die Kehle.
Neulich erklärte ich meiner Freundin Milli sogar, dass ich mir glatt ein viertes Kind wünschen würde, allein der Schwangerschaft wegen. Nur auf die schlaflosen Nächte, in die so eine Schwangerschaft mündete, auf die würde ich gern verzichten. Milli, die einfach nur froh war, als sie ihre Schwangerschaft endlich mit einer erfolgreichen Geburt beenden konnte, sagte also: »Lisa, Marktlücke!«, und ich schaltete nicht. »Du solltest Leihmutter werden, wenn du so gern schwanger bist. Ich wäre deine erste Kundin, ich hab im Gegensatz zu dir nämlich keinen Bock auf Bauch und Alkoholverzicht.«
Aber es war eben nicht nur der Bauch, der mich so »high« durch die Berliner Innenstadt rennen ließ, sondern die diesen Bauch begleitende unfassbare Vorfreude und Neugier auf mein Baby.
Angeblich leiden 70 Prozent aller Schwangeren in den ersten drei Monaten an Übelkeit. Aha. Bei den meisten sei das aber nur eine Randerscheinung, die den Alltag nicht beeinflusst. Hä? Soll ich etwa auf der Arbeit kotzen und so tun, als wäre nichts? In den schlauen Ratgeber steht dann: Nehmen Sie fünf kleine Mahlzeiten zu sich statt drei große und legen Sie sich nach jeder für zehn Minuten hin. Ja, wie soll denn das gehen, wenn man berufstätig ist, bitteschön? Soll ich mich in den Büroflur legen?
Wie würde das Gesicht meines Babys aussehen? Wie seine Stimme klingen? Klar, es würde ein Wesen rauskommen, mit einem Loch im Gesicht, aus dem Schreie schwappen würden. Aber es würde vielleicht mein Näschen haben, die großen Füße meines Mannes oder auch nicht. Ich fragte mich, ob wir uns wohl verstehen würden, mein Baby und ich, immerhin würden wir die nächsten 18 Jahre unter einem Dach wohnen müssen, dabei kannten wir uns noch nicht mal. Kein Krimi konnte spannungstechnisch mit dieser prickelnden Ungewissheit mithalten. Für mich war Werbung mit glücklichen Schwangeren also nie ein Problem.
In einem Heft lese ich: Speiberl sind Bleiberl. Soll heißen: Wer spuckt, erleidet weniger oft eine Fehlgeburt. Na immerhin. Geh ich halt mal einkaufen. Auf dem Weg musste ich immer wieder kleine Pausen machen, weil kleine Rülpser im Anmarsch waren. Mein Äußeres muss so furchtbar ausgesehen haben, dass mich sogar der Kaufhausdetektiv verfolgte!
Es gibt drei verschiedene Arten von Schwangeren, die ich fern jeder Wissenschaftlichkeit prozenttechnisch in meinem Freundeskreis erhoben habe. Zehn Prozent gehören zu den Dauergrinsern wie mir, die am liebsten immer schwanger wären. 60 Prozent gehören zu denen, die einer Schwangerschaft eher neutral gegenüberstehen. Sie freuen sich am Anfang, dass sie ein Baby bekommen, und freuen sich am Ende, dass die Schlepperei
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