Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
schon«, und ersollte recht behalten. Der dritte Tag im Leben meiner winzigen Tochter war ein Mittwoch. Ich weiß es noch, als wäre es erst fünf Minuten her und nicht sechs Jahre.
Mein Mann kam morgens schon um 7 Uhr zu mir und ihr ins Krankenhaus, kurz vor der Arbeit noch schnell ein »Guten Morgen, meine zwei Ladies«-Küsschen. Und dann ab durch die Tür. Bleib hier!, schrie mein Herz. Und es schüttelte mich. In mir löste sich ein Hormon-Orkan und ich weinte, während ich duschte, ich weinte, während ich mein Baby anschaute, ich weinte sogar mit den anderen Frauen, die weinend auf der Toilette neben mir saßen, weil der Dammriss (den ich nicht hatte!) brannte. Ich vergoss Tränen, als wolle mein Körper auch noch die letzten Reste der Schwangerschaft aus mir rausspülen. Und mein Atombusen brachte dann sogar auch meine Besucher zum Weinen. Oder weinten sie vor Rührung über mein Kind? Jedenfalls war mein Bauch nicht sofort weg. Und meine Figur nie wieder die alte. Denn so dünn wie jetzt war ich noch nie!
Mein Mann hatte natürlich die Arschkarte gezogen, die nächsten sechs Monate gehörte mein Oberkörper nur noch meinem Baby, es saugte an meinen Brüsten, bis Blut spritzte, wie ein kleiner Vampir. Mir hatte jedenfalls vorab keiner verraten, dass Stillen an sich schon eine Wissenschaft ist. Dass ich es genauso lernen muss wie mein Kind selbst auch. Und wenn einer schlappmacht? Hat der andere Hunger. Es hat schon ein bisschen gedauert, bis wir uns eingespielt hatten und Geduld gehört jetzt nicht so zu meiner Stärke. Da setzt mich doch oben erwähnte Krankenschwester auch noch in einen Gemeinschaftsstillraum und schiebt mir eine Milchpumpe vor. Ich frage mich, ob sie nicht noch Stroh auf dem Boden verteilen könnte, damit ich mich endgültig fühle wie im Kuhstall. Entwürdigend! Und während diese Pumpmaschinen-Plastikkappen auf meinen Brüsten an mir rumsaugen und schnalzen und es nach süßlich-vergorener Milch riecht, überlege ich, wer mir wohl am schnellsten die Nummer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg besorgen kann, damit ich denen mal sagen kann, dass ich das alles nicht länger mitmachen werde. Aber was soll’s, zum Telefonieren hab ich eh keine Hand frei, ich muss mich auf das Pumpen konzentrieren,schh-surr-schh-surr. Na ja, und dass meine Brüste dann noch wieder die Alten werden sollten, bezweifelte ich in dem Moment natürlich. Genauso wie der Blick auf die monströse Fettschürze direkt unterhalb meiner hängenden Saugpfropfen. Ob mein Bauch jemals wieder auf Normalumfang schrumpfen würde? Jedenfalls nicht auf die Art und Weise, wie es mir die Physiotherapeutenpraktikantin erklärt. Beine hoch – WAS zum Teufel?
Ich habe eine 18 cm lange Kaiserschnittnarbe, ich habe nicht geschlafen, ich MACHE JETZT KEINEN SPORT. Verdammt. Ich will nach Hause. Altes Leben, wo bist du hin?
Ich will zu dir zurück.
Das soll alles keine Angst schüren. Horrorgeschichten hast du sicherlich schon zur Genüge von deinen Nachbarn und Bekannten gehört. Ich möchte damit nur zeigen, dass ich womöglich im falschen Krankenhaus gelandet und einfach selbst nicht sonderlich planvoll in diese Geschichte hineinspaziert bin. Vielleicht eher: naiv. Ich wusste jedenfalls bis dahin nicht, dass es elektrische Abpumpmaschinen gibt. Ich hatte schließlich noch keine Schwangeren oder Mütter in meinem Umfeld und ich bin kein Mensch, der sich wissenschaftlich auf neue Aufgaben vorbereitet und 35 Bücher zum Thema liest. Ich hasse auch Bedienungsanleitungen von Fotoapparaten. Ich probiere lieber aus, bis was klappt. So machte ich es auch mit meinem Kind. Für die nächste Entbindung nahm ich mir dann trotzdem vor, das Krankenhaus vorab genauer zu inspizieren und einen Stillratgeber zu lesen.
Nach den Anfangsschwierigkeiten beim ersten Kind durfte ich dann nach fünf langen Tagen tatsächlich dieses Höllenkrankenhaus verlassen und – flupp – fluppte alles wie von selbst. Mein Baby schrie weniger, mein Stillen funktionierte und mein Bauch schwand im Minutentakt. 18 Kilo hatte ich während der Schwangerschaft zugelegt, 12 verlor ich allein bei der Entbindung und der Rest – purzelte an mir runter. 13 Kilo, 15 Kilo, 17 Kilo – weg. 18 Kilo, 19 Kilo, 20 Kilo. Hilfe, stopp, jetzt ist gut. Jetzt krieg ich ja langsam Untergewicht. 22 Kilo. Mein Gott! Was war los? Ich rief die Hebamme an: »Dieses Kind frisst mich auf!« Sie beruhigte, alles pendele sich ein. Besser als andersherum. Andersherum?
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