Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
staubtrockenen Hauses blitzschnell trocknen würden. Ich überlegte, wie ich mich rächen könnte. Ich könnte der Firma Gebr. Nadler in einer dunklen Nacht »Dieser Installateur hat unser Leben ruiniert!« an die Hauswand sprühen. Schon öfter hatte ich einen der dunkelgrünen Firmentransporter auf den Straßen der Stadt fahren sehen: Sollte ich, wann immer ich einen dieser Wagen vor einem Haus parkend entdeckte, heimlich die Reifen zerstechen? Oder wäre es das Beste, unsere Erfahrungen in sämtlichen existierenden Dienstleistungsbewertungsportalen zu veröffentlichen? Während ich Rachepläne ersann, sah ich durch die Fensterfront unseres Arbeitszimmers ein Auto auf dem Gehweg vor unserem Haus parken. Ein kleiner, dicker, älterer Mann stieg aus. Es war Herr Nadler.
In den wenigen Sekunden, die der kleine, dicke Mann brauchte, um vom Auto durch unseren aus Sand und Baumüll bestehenden Vorgarten zu unserer Haustür zu gehen, malte ich mir aus, was passieren würde, nachdem ich ihn eingelassen hätte: Weil ich ein zur Höflichkeit erzogener Mensch bin, würde ich mich, sobald er unser Haus betreten haben würde, genötigt fühlen, den kleinen, dicken Mann in die Küche zu bitten und ihm einen Kaffee anzubieten. Ich würde ihm dabei zusehen müssen, wie er seinen Gesichtsausdruck ins absichtsvoll Kummervolle zwingen und mir wortreich erklären würde, wie sehr er das alles bedaure und warum er nicht früher dazu gekommen sei, sich zu melden und uns das persönlich zu sagen. Ich würde etwas darauf entgegnen müssen.
Ich würde mich entweder verstellen und ihn entlasten müs sen, um ihn möglichst schnell wieder loszuwerden: »Schon gut, halb so wild, jeder macht mal einen Fehler!« Das kam gar nicht infrage.
Oder ich würde, um ihm das wahre Ausmaß der von ihm und seinen Leuten angerichteten Katastrophe vor Augen zu führen, mit zitternder Stimme über meine Gefühle reden müssen und dabei garantiert in Tränen ausbrechen. Ich wäre eine Frau, die Schwäche zeigt, woraufhin er die Gelegenheit nutzen und sich als starker Mann aufführen würde: Er würde von seiner prima Haftpflichtversicherung erzählen und mir dabei womöglich seine fleischige Hand onkelhaft tröstend auf die Schulter legen. Das kam noch viel weniger infrage.
Bevor der kleine, dicke Mann die Haustür erreichte, öffnete ich die Tür in der Fensterfront des Arbeitszimmers. Der kleine, dicke Mann steuerte auf mich zu. Ich dachte: Nicht einmal einen Blumenstrauß hat er dabei.
»Guten Tag«, sagte Herr Nadler. »Ich bin Herr Nadler.«
»Ich weiß«, sagte ich.
»Darf ich hereinkommen?«, fragte Herr Nadler.
»Nein«, sagte ich. »Ich habe Sie fünf Tage früher erwartet, Sie kommen leider zu spät.«
Dann schlug ich die Tür wieder zu.
Ich nahm den Laptop und schrieb eine Mail an Gebr. Nadler, in der ich Herrn Tiedemann und Herrn Nadler Hausverbot erteilte. Nur Herr Krummwinkel, schrieb ich, dürfe unser Grundstück und Haus zukünftig noch betreten, denn der sei der Einzige, der sich wegen der tropfenden Küchenlampe gekümmert habe – wenn auch leider zu spät und zu zögerlich. Dann rief ich Katja an und erzählte ihr, was vorgefallen war.
»Hm«, sagte Katja, »o.k. Übrigens, Herr Nadler hat auch gerade angerufen, bei Sarah. Er hat sich über deine schlechten Umgangsformen beschwert.«
»Ich weiß nicht, ob das so geschickt war von dir«, sagte mein Mann abends. »Wir sind die doch noch lange nicht los, und Herr Krummwinkel ist ja nun auch nicht gerade der Einstein unter den Klempnern.«
»Vielleicht nicht«, sagte ich. »Vielleicht war es ungeschickt. Aber es fühlte sich gut an. Außerdem habe ich heute einen Anwalt engagiert.«
Nachdem ich die Mail geschrieben hatte, hatte ich unseren Anwaltsfreund Ingo angerufen. Ich hatte ihn gebeten, mir einen Kollegen zu empfehlen, der uns in Sachen Wasserschaden beistehen könne. Wir haben keine Rechtsschutzversicherung, aber wenn ich etwas gelernt habe in den Jahren meines Erwachsenseins, dann dies: Manchen Streit sollte man noch nicht einmal versuchsweise auf eigene Faust austragen. Zwei Stunden später hatte ich mit einem Fachanwalt für Versicherungsrecht telefoniert und ihn beauftragt, uns gegenüber der Haftpflichtversicherung der Firma Gebr. Nadler zu vertreten. Der Anwalt machte mir die erfreuliche Mitteilung, dass wir als Geschädigte ein Anrecht auf Rechtsbeistand hätten, sein Anwaltshonorar also von der Haftpflichtversicherung übernommen werden müsse.
»Und muss die
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