Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
bitte pass auf, dass ich nicht einschlafe und die Kinder gegen eine Leitplanke fahre. Jetzt auch noch ein Autounfall, das überlebe ich nicht.«
Der liebe Gott hat netterweise aufgepasst. Ich nippe an meinem Espresso, als ein fremder Junge in die Bar läuft und ruft: »Da steht ein Hund auf dem Dach!«
Ich sage: »Das ist unserer. Wahrscheinlich guckt er vom Balkon.«
Im Restaurant des Hotels sind keine Hunde erwünscht, ich habe ihn auf meinem Zimmer gelassen und die Tür zum Balkon geöffnet, der über dem Dach des Restaurants liegt – mit Blick auf die Hotelterrasse, einen kleinen See und die Berge am Horizont. Der Hund sollte nach der langen Autofahrt frische Luft schnuppern können, während wir aßen.
»Nein«, sagt der Junge. »Der Hund steht auf dem Dach!«
Ich renne auf die Terrasse, auf der Terrasse stehen Hotelgäste und gucken nach oben. Oben steht der Hund auf dem Dach des Restaurants, er steht ganz am Rand. Er muss vom Balkon auf das Dach gesprungen sein. Der Hund wedelt freudig mit dem Schwanz, als er mich sieht, die anderen Hotelgäste schütteln den Kopf, sie gucken vom Hund zu mir zum Hund, sie gucken sehr streng.
Ich überlege, ob ich mich schämen soll. Weil mich alle anstarren. Für mein leichenhaftes Aussehen und meinen schlecht erzogenen Hund. Für unseren misslungenen Einstand in die übersichtliche Gemeinschaft der Hotelgäste, der wir für die nächsten zwölf Tage angehören werden. Aber mir fehlt die Kraft, mich zu schämen. Ich denke: Auch egal. Mein Leben ist sowieso gerade ein Irrenhaus.
Wir, die Kinder, der Hund und ich, sind geflüchtet aus jenem Irrenhaus in Massivbauweise, das zu nass ist, um darin zu leben – hierher nach Südtirol. Eine Nacht nachdem die Trockengeräte aufgestellt worden waren, wusste ich, dass ich entweder aus unserem Haus ausziehen oder mich demnächst in eine Klinik einweisen lassen muss. Die Trockner machen nicht nur einen Heidenkrach, sie heizen das Haus auf wie einen Backofen, das Raumklima entspricht ungefähr dem in der Sahara: Damit von außen keine feuchte Luft eindringt, dürfen wir die Fenster nicht öffnen, denn draußen ist es zwar sommerlich heiß, aber es regnet viel.
Mein Mann geht tagsüber zur Arbeit, die Kinder aber haben Ferien, wir drei sind dazu verdammt, mehr oder minder den ganzen Tag zu Hause zu verbringen. Schon vor dem Umzug habe ich behauptet: Ich kann nicht mehr. Das war eine Fehleinschätzung. Man kann immer mehr, als man glaubt. Aber jetzt, jetzt kann ich wirklich nicht mehr. Ich bin total erschöpft, am Ende meiner Kräfte, kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch.
Am Mittwochmorgen, während ich Wäsche aufhängte, war mir klar geworden: Ich halte es nicht aus hier. Ich halte es nicht aus hier. Ich halte es nicht aus hier. Ich muss die Kinder einpacken und weg. Die Trockner röhrten, um mich herum stapelten sich immer noch nicht ausgepackte Umzugskartons, die Kinder langweilten und stritten sich andauernd, ich schrie sie an, gleichzeitig taten sie mir leid. Mit dem Haus hatte auch ihre Mutter einen Wasserschaden erlitten. So sehr ich versuchte, mich zusammenzureißen: Mehrmals am Tag tropfte es für ein paar Minuten aus mir heraus. Unter meinen Füßen knirschte der Sand, der in dem Chaos einfach nicht aus dem Haus zu bekommen war, mir lief der Schweiß von der Stirn, in meinem Herzen brannte Hass. Hass, wie man ihn nur demjenigen gegenüber empfindet, der einen zutiefst verletzt hat. Hass auf Herrn Tiedemann und seinen Chef, Herrn Nadler.
Herr Tiedemann, dachte ich, während ich Wäscheklammern in die Unterhosen auf dem Wäscheständer rammte, hatte durch seinen Pfusch unsere Familie in eine Situation gebracht, die unsere Tochter rückblickend als »die allerallerschlimmste Zeit in meinem Leben« bezeichnen wird. Wir hatten, als wir die Firma Gebr. Nadler beauftragten, an diese Firma, an die Sorgfalt und Kompetenz ihrer Mitarbeiter geglaubt, wir hatten dem Chef der Firma, Herrn Nadler, unser Vertrauen geschenkt. Selbst als offensichtlich war, dass der Schaden, den seine Mitarbeiter angerichtet hatten, ein sehr großer war, hatte er sich geweigert, Verantwortung dafür zu übernehmen. Bis heute war er nicht persönlich vorbeigekommen, nicht einmal angerufen hatte er, weder bei uns noch bei den Architektinnen. Er hatte unser Vertrauen missbraucht. In diesem Augenblick, im Flur vor dem Wäscheständer stehend, hasste ich ihn und die Dogge dafür.
Ich hängte die nächsten Wäschestücke auf, die inmitten des
Weitere Kostenlose Bücher