Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
nächsten Mal zeigen könne. Vorab schicken könne er uns den Küchenentwurf nicht, das sei bei ihm nicht anders als bei den meisten Küchenhändlern, dafür hätten wir sicher Verständnis: Es könne ja sonst passieren, dass ein Kunde nur deshalb zu ihm komme, um sich von ihm eine schöne Küche entwerfen zu lassen und dann, sobald er den Entwurf in der Hand halte, von Küchenstudio zu Küchenstudio zu rennen und zu gucken, ob es solch eine Küche woanders nicht billiger gebe.
»Und du meinst nicht, so eine Küche gibt es woanders auch noch billiger?«, fragte mein Mann, während wir wieder nach Hause fuhren.
»Nein«, sagte ich. »Ich habe nächtelang im Internet Küchen angeschaut und nicht eine einzige gefunden, die mir annähernd so gut gefiel. Komm schon, die Küche wird schließlich das Herz unseres Hauses!«
»Tja«, sagte mein Mann. »Die war schon schön. Mal abwarten, wie der Kostenplan aussieht.«
Der Kostenplan sah bekanntlich so aus, dass ich auf der Stelle alle Hoffnung auf die Edelstahlarbeitsplatte fahren ließ. Die Suche nach einer Küche ging weiter.
Ich traf mich mit dem Tischler, der sich nie wieder meldete. Ich besichtigte Küchenausstellungen in diversen Küchenstudios und Möbelhäusern. Ich recherchierte im Internet, ich klickte mich durch die Homepages aller in Deutschland erhältlichen Küchenmarken, ich studierte Küchendiskussionen in Küchenforen, ich landete auf der Internetseite des TV -Küchenexperten Heinz G. Günther, Autor des im Selbstverlag erscheinenden Buches Clever Küchen kaufen. Wie man den Küchenkauf richtig anpackt und viel Geld spart . Fast hätte ich es bestellt. Herr Günther machte mich auf seiner Homepage darauf aufmerksam, »wie schnell, wie erschreckend häufig und vor allem wie leicht« ich »als Verbraucher beim Kauf einer Küche regelrecht abgezockt« werde: Das erste Preisangebot, das ein Küchenberater mache, sei grundsätzlich viel zu hoch – und ein Idiot, wer es akzeptiere.
Den dritten und vierten gemeinsamen Küchentermin absolvierten mein Mann und ich in einem Küchenstudio, das Sarah uns empfohlen hatte. Wir wurden beraten von einem kleinen, sehr leise und deutlich sprechenden, Anzug tragenden Herrn mit der Ausstrahlung eines kurz vor der Pensionierung stehenden Altphilologen. Er handelte mit einer Küchenmarke aus dem oberen und mit einer Marke aus dem unteren Preissegment. Beim ersten Termin blieben wir wieder drei Stunden, am Ende baten wir ihn, uns Angebote für beide Marken zu machen. Beim zweiten Termin nannte er konkrete Preise. Erstaunlicherweise sei die Billigküche nicht viel billiger als die Qualitätsküche, teilte der Altphilologe uns mit.
»Das – muss ich sagen – hat mich selbst sehr erstaunt«, wisperte er, so als lägen die Preise leider nicht in seiner, sondern in Gottes Hand. »Wobei es natürlich möglich war, Ihnen – als geschätzten Kunden einer gemeinsamen Bekannten – bei der hochwertigeren Küche einen Sonderrabatt einzuräumen. Bei der anderen Küche ging das leider nicht, deren Preis ist ja ohnehin viel schärfer kalkuliert. Verstehen Sie?«
»Ja ja«, sagte ich. Das war aber gelogen.
»Na, dann überlegen wir mal und melden uns wieder«, sagte mein Mann.
»Weißt du was?«, sagte ich zu meinem Mann. »Die Küche hier ist sehr schön, aber nicht ganz so schön und auch nicht viel billiger als die Traumküche vom Küchendesigner. Ich rufe den noch mal an und frage, ob er beim Preis nicht noch was machen kann.«
»Sie können nicht so viel ausgeben?«, rief der Küchendesigner ins Telefon. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, gute Frau? Das kostet mich ein müdes Lächeln, den Preis zu senken. Nein, ein Scherz. Ich lasse mir ein paar kleine Änderungsideen einfallen, zum Beispiel die Hochschränke doch mit Griff statt mit Griffmulden, dann bekommen wir das schon hin zu dem Preis, den Sie sich vorstellen.«
Ich dachte: Ein paar Tausend Euro weniger kosten den nur ein müdes Lächeln? Ich spürte, wie das Misstrauen gedieh, das der TV -Küchenexperte Heinz G. Günther in mir gesät hatte: das Gefühl, dass, wer sich aufmacht zum Kauf einer Küche, sich in Wahrheit auf eine Art Duell einlässt, bei dem sich Küchenkäufer und Küchenverkäufer als natürliche Feinde gegenüberstehen.
Ich besuchte den Küchendesigner noch einmal in seinem Loft, er präsentierte einen neuen Entwurf, aber meine Begeisterung war dahin. Ich traute ihm, seinen Preisen, seinem verschmitzten Lächeln nicht mehr. Als er zu seinem
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