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Ich habe abgeschworen

Ich habe abgeschworen

Titel: Ich habe abgeschworen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Ahadi , Sina Vogt
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Feind ausgemacht ist, der mit einem Verbrechen gegen die Ehre assoziiert wird. Dann folgen diese Massen ihren Führern auf jede Demonstration – im Fall der dänischen Karikaturen, ohne je eine der vermeintlich beleidigenden Abbildungen zu Gesicht bekommen zu haben. Der Feind ist ausgemacht, und Tod dem Feind. Doch nicht nur der Spiegel , auch Günter Grass (»die Proteste sind eine fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat«) und Politiker von den Grünen und der SPD nahmen sich der verletzten Gefühle »der Muslime« an.
    Mich interessierte, wie die Menschen im Iran diesen Streit beurteilten. Also rief ich eine Bekannte an: »Seid ihr beleidigt?« Ich wollte es wirklich wissen, denn diese Bekannte ist Muslima aus Tradition, Religion ist Bestandteil ihres Alltags. Sie aber lachte: »Mina, die Menschen hier sind nicht beleidigt, wir machen doch selbst die schlimmsten Witze über die Mullahs, um dieses Regime zu ertragen!«
    Politische Islamisten erklären die muslimische Seele für beleidigt und fordern Rache. Westliche Medien und Politiker sehen Demonstrationen im Fernsehen, eindrucksvolle Massenaufmärsche, und gehen den Islamisten auf den Leim, indem sie sich um die religiösen Gefühle »der Muslime« sorgen. Der damalige Vorsitzende des Islamrates, Nadeem Elyas, berichtete der »Tagesschau«, die Karikaturen seien eine Provokation und verletzten die religiösen Gefühle aller Muslime zutiefst. Er stünde zwar zur Pressefreiheit, aber »diese gezielte Entwürdigung kann nicht im Namen der Kunst toleriert werden«. Was denn nun, denke ich – Freiheit für Presse und Kunst oder Karikaturenverbot? Die »Tagesschau« scheint dieser Widerspruch nicht zu stören, Herr Elyas darf noch betonen, dass er aber an die Muslime appelliere, ihre ausgewogene Haltung zu bewahren. Das finde ich in den deutschen Medien immer wieder – Dankbarkeit, wenn »muslimische Vertreter« die Gewalt ablehnen, und breiten Raum für Verständnis, dass ihre Gefühle verletzt seien. Die Bilder des entfesselten Mobs in der islamischen Welt sind bestechend. Bilder, die scheinbar zeigen, wie tief verletzt die Menschen sind. Von Zeichnungen, die die meisten nie zu Gesicht bekommen haben. Weil ihre religiösen Führer »im Namen Gottes« zur kollektiven Wut aufriefen.
    Ich möchte dieses unfreie System an einem ganz anderen Beispiel verdeutlichen: Gerne wird hierzulande von Islamvertretern die Friedfertigkeit des Islam betont und als Beweis angeführt, dass alle Muslime Almosen geben. Doch die Gebote des Islam zur Almosensteuer sind keine Beweise für die Friedfertigkeit und Güte des Islam, sondern zeigen nur ein weiteres Mal, wie sehr der Mensch unterjocht wird unter die Religion: Die Almosensteuer ist Pflicht (!) jedes Moslems. Auf der Homepage des Islamischen Zentrums München 18 findet sich dazu folgendes Zitat: »Der Islam legt großen Wert auf Großzügigkeit und Mildtätigkeit als Mittel zur Läuterung der eigenen Seele und zur Annäherung an Allah. Dem Muslim ist auferlegt, freiwillige Gaben zu verteilen, wenn immer es ihm möglich ist; doch ist es davon abgesehen seine Pflicht, einmal jährlich eine Almosen-Steuer von etwa 2,5 Prozent seines Kapitalvermögens zu geben, die an Arme und Bedürftige etc. geht.« Selbstredend geht das Geld nur an Muslime, bedürftige Ungläubige sind von seinem Segen ausgeschlossen. Mildtätigkeit ist im Islam nicht aus der Erkenntnis eines freien Individuums geboren, dass es als ein soziales Wesen Verantwortung für die Gemeinschaft und die Gerechtigkeit für alle hat, sondern allein ein Mittel, selbst dem Paradies näher zu kommen. Es geht darum, Punkte zu sammeln, um im Jenseits auf der guten Seite und nicht in der Verdammnis zu landen. Das geht mit Almosen und für eine wachsende Zahl von Moslems mit Mord im Heiligen Krieg, dem Djihad. Dieses Denken fand sich auch im christlichen Mittelalter, die Anführer der christlichen Kreuzzügler mobilisierten ihre heiligen Soldaten ebenfalls mit dem Versprechen auf einen Platz im Himmel.
    Ich rief in den Tagen der heißen Debatten um die Mohammed-Karikaturen einige Journalisten an, die ich aus den letzten Jahren kannte. Ich versuchte zu erklären, dass ich zwar qua Definition Muslima bin (als Tochter eines muslimischen Vaters), mich aber seit meiner Jugend als Atheistin begreife und sie ihr Augenmerk auf die vielen Menschen wie mich richten sollten, statt gläubig den Äußerungen der Imame und der Organisationen der Muslime zu folgen, diese

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