Ich habe abgeschworen
Menschlichkeit kann dies leisten. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften über die Entstehung der Welt und der Menschen wären das zweite Lernziel. Und dann, erst dann, können meines Erachtens Kinder aus all den verschiedenen religiösen und nichtreligiösen Elternhäusern gemeinsam die Religionen der Welt kennenlernen.
Dem stehen natürlich nicht nur die großen christlichen Kirchen feindlich gegenüber, die auch in Deutschland erstarkenden evangelikalen Kreationisten stoßen ebenfalls zu dieser »unheiligen« Allianz. Deren Feldzug, in deutschen Schulen zu lehren, dass die Welt so erschaffen wurde wie in der Bibel geschrieben, trifft sich mit der islamischen Lehre von der absoluten Unverrückbarkeit des Koran, in beiden Fällen steht »Gottes Wort« für die absolute Wahrheit. Der Kreationismus fällt hinter das aufgeklärte Christentum zurück, das die Bibel als Werk von Menschen nahm und entsprechend interpretieren konnte. Denn, machen wir uns nichts vor, auch im Alten Testament wird die Steinigung gefordert. 17
Der Kampf um den rechten Glauben findet also nicht nur im Islam statt, und die Schule ist deshalb ein so wichtiges Schlachtfeld, weil die Kinder gewonnen werden sollen. Deshalb ist die in Deutschland inzwischen alltägliche Auseinandersetzung um Nichtteilnahme am Schwimm- und Sportunterricht, an Schulausflügen und Kunstunterricht so politisch. Gerade in einem neuen Ethikunterricht statt des herkömmlichen konfessionellen Religionsunterrichts könnte eine aufgeklärte Gesellschaft wieder Land gewinnen. Das steht der Religionsfreiheit ja in keiner Weise entgegen, die Kinder können nach wie vor von ihren Eltern und der Gemeinde in der Religion unterrichtet werden, an die diese glauben. Eltern haben das Recht, ihren Kindern die eigene Religion oder den eigenen Unglauben nahezubringen. Kinder haben genau so das Recht, vom (Un-)Glauben der Eltern abzuweichen.
Der Zentralrat der Ex-Muslime entsteht
Die beleidigte muslimische Volksseele
» M illiarden Moslems fühlen sich durch die Mohammed-Karikaturen beleidigt.« So der Fernsehsprecher zu Bildern hasserfüllter Menschenmassen, die dänische Flaggen verbrennen und aussehen, als warteten sie nur darauf, dass ihnen die »Beleidiger des Propheten« zum Lynchen in die Hände geraten. Mich lässt der Anblick des entfesselten Mobs frösteln. Dabei funktioniert die Heizung gut in meinem Wohnzimmer in diesem Januar 2006.
Ich bin keine Muslima, denke ich, also muss ich mich auch nicht beleidigt fühlen. Ich weiß aber, dass das nicht alle so sehen. Erst am Tag zuvor hatte mich ein Journalist auf »meinen Glauben« angesprochen: »Frau Ahadi, islamische Gelehrte beziehen sich auf den Koran, wenn sie Steinigung bei Ehebruch für die angemessene Strafe halten. Wie können Sie als Muslima dann dagegen sein?« »Ich bin keine Muslima«, hatte ich geantwortet. Ich habe ihn immer wieder erlebt, diesen Eiertanz deutscher Journalisten. Sie interviewten mich als Menschenrechtlerin, um dann doch wieder die Muslima in mir zu sehen. Sicher, nicht alle waren so provokant-platt wie der eben beschriebene junge Mann. Trotzdem: Da ich in den Augen vieler deutscher Medienvertreter doch Muslima war, musste ich ihrer Ansicht nach auch beleidigt sein. Sie meinten, ich könnte mich freuen, da die meisten Medienvertreter Land auf, Land ab von einem Missbrauch der Freiheit redeten, den die dänischen Redakteure mit dem Abdruck der Mohammed-Karikaturen im September 2005 verübt hätten. Ich fragte meinen Mann und meine Töchter. Auch sie waren nicht beleidigt, als sie hörten, dass irgendeine Zeitung der Welt Mohammed karikierte. Sie meinten, die Karikatur wäre höchstens gelungen oder nicht gelungen, aber Satire sei doch keine Beleidigung. Zudem läge es im Wesen der Satire und der politischen Karikatur, wehzutun.
Was geht in diesen Menschen vor, die mit vor Hass verzerrten Gesichtern nach Blut rufen für eine Beleidigung, so sie sich denn subjektiv wirklich beleidigt fühlen, durch ein paar Zeichnungen? Es sind geschickte Führer und Agitatoren, politische Imame wie der Däne Raede Hlayhel, die die Mobilisierung der Massen für den Zuwachs eigener Macht schüren. Ihre Agitation trifft auf Menschen, die nur zu bereit sind, sich gemeinsam stark zu fühlen als Opfer gottesfeindlicher Ungläubiger. Weil sie nie gelernt haben, sich stark zu fühlen als autonome Individuen. Der Ursprung, die vermeintliche Tat gegen ihre Ehre als Moslems, ist nicht wirklich wichtig, es reicht, dass ein
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