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Ich habe abgeschworen

Ich habe abgeschworen

Titel: Ich habe abgeschworen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Ahadi , Sina Vogt
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Guckloch sah ich zwei Männer mit schnittigen Kurzhaarschnitten, dunklen Anzügen und ernsten Gesichtern. Mir war klar, wer das war: »Das ist die Polizei«, sagte ich in den Hörer, »ich möchte, dass du mithörst.«
    Ich öffnete die Tür halb und sagte fragend: »Guten Tag?« Einer stellte sich vor als Herr Schneider 21 vom Bundeskriminalamt. »Michael, sie sagen, sie sind vom Bundeskriminalamt«, sagte ich in den Telefonhörer. Ich merkte, wie ich mich versteifte. Zwar sahen die Männer nicht gerade freundlich aus, aber ich wusste, dass meine Körperreaktion eine alte Angst widerspiegelte. Die vor dem Savak, dem Geheimdienst des Schahs, der im Iran so viele meiner Weggefährten der linken und kommunistischen Opposition zu Folter und Hinrichtungen abgeführt hatte. Und mehr noch die Angst vor den Pasdaran, den Revolutionswächtern des islamischen Regimes nach der Revolution von 1979, und dem neuen Geheimdienst Vevak, der scheinbar den Savak an Grausamkeit noch zu überbieten versuchte, der meinen Mann gefoltert und ermordet hatte wie so viele andere. Es war die Angst vor den Schergen des politischen Islam und des iranischen Regimes, das seine Schlagkraft bei der Verfolgung und Ermordung Oppositioneller in der ganzen Welt unter Beweis gestellt hat. In Deutschland war man sich dessen spätestens seit dem Bombenanschlag vom 21. September 1992 in der Berliner Diskothek Mykonos bewusst. Dort starben vier Vertreter der iranischen Opposition, Mitglieder der Demokratischen Partei Kurdistans, durch Mörder des iranischen Geheimdienstes Vevak.
    Bis heute habe ich Albträume, in denen drei Männer im Anzug an meine Wohnungstür schlagen: »Mina Ahadi, sofort aufmachen!« – In meinem Traum sind das Agenten der Savak, des Geheimdienstes des Schahs – oder Männer mit Bart und Gewehren, die meinen Mann abführen, während ich aus einem Versteck zusehe – Agenten des Vevak, dem Geheimdienst der Mullahs.
    Ich zögerte, die Beamten in die Wohnung zu lassen, überlegte, ob sie vielleicht einen Termin mit mir außer Haus machen könnten. Das fragte ich Michael am Telefon, aber der meinte, ich könne beruhigt sein, es ginge nur um meinen Schutz. Also gut, dachte ich: »Kommen Sie herein, aber was immer wir besprechen – ich möchte meine Kinder nicht beunruhigen.« Zudem bat ich um einen Ausweis, den einer der beiden mir daraufhin bereitwillig zeigte. Im Wohnzimmer nahmen sie mir gegenüber am Tisch Platz, und ich verabschiedete mich von Michael mit dem Versprechen, ihn später wieder anzurufen und zu berichten. Einer der Männer fragte mich aufgebracht, wie ich das Interview habe geben können. Ich war nun auch aufgebracht, wegen seines Tonfalls, versuchte aber ruhig und freundlich zu bleiben: »Ich habe meine Meinung geäußert. Ich bin EU-Bürgerin und habe von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Und von meinem Recht auf Religionsfreiheit, welches ausdrücklich auch das Recht, keiner Religion anzugehören, umfasst.« Ob ich nicht an die Folgen gedacht habe. »Bin ich verantwortlich, wenn meine Meinung und religiöse Überzeugung, mit der ich niemanden angreife, von anderen zum Anlass genommen wird, mich zu bedrohen, gar töten zu wollen?« Es herrschte Schweigen, und ich dachte schon, sie würden gar nichts mehr sagen, als die Frage kam, weshalb ich sie denn nicht vor der Veröffentlichung benachrichtigt hätte. Ich erklärte, dass dies im Vorfeld der Pressekonferenz am 28. Februar noch geschehen sollte, die Veröffentlichung im Focus zu diesem frühen Zeitpunkt auch mich überrascht hätte und mir erst Stunden vor dem Erscheinen angekündigt worden war. Schließlich boten sie mir und meiner Familie Polizeischutz an, da sie die Lage aufgrund dieses öffentlichen Abfalls vom Islam als ernst einschätzten und für potenziell lebensbedrohlich hielten. Ich willigte gerne ein, vor allem für meine beiden Töchter. Sie taten mir leid, denn ich ahnte, was nun auf sie zukam.
    Nachmittags kamen acht Männer, das Team zu meinem Schutz, und besprachen mit mir die Einzelheiten. Sie würden erst einmal jede halbe Stunde einen Kontrollgang vor dem Haus machen, jeden Morgen anrufen und mit mir die Pläne des Tages besprechen, und bei jedem Gang aus dem Haus würden mich Bodyguards begleiten. So wurde es gemacht, der Focus war das Letzte, was ich mir spontan »mal eben um die Ecke gehend« gekauft hatte.
    Pressekonferenz in Berlin
    Arzu Toker und ich stellten uns auf der Gründungsversammlung des Zentralrats der

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