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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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ein paar geschäftsmäßigen
Federstrichen waren wir frei. Chekura und ich gingen mit den letzten befragten
Negern unter Deck. Aber als die Joseph gerade die Anker lichten wollte,
erschallte eine laute Stimme: »Meena Dee. Komm bitte
noch mal zurück.«
    Die britischen und
amerikanischen Beamten steckten die Köpfe zusammen. Die Amerikaner hielten ein
Stück Papier in der Hand und wiesen den stellvertretenden Quartiermeister
offenbar auf einzelne Punkte hin.
    Endlich sagte der
Quartiermeister: »Meena Dee, es gibt einen Anspruch auf dich. Wir können dich
jetzt noch nicht fahren lassen. Du musst mit diesen Männern gehen.«
    »Aber …«
    »Darüber gibt es keine
Diskussion.«
    »Aber ich habe die
General-Birch-Bestätigung. Ich habe den Briten jahrelang gedient. Von April bis
vor einer Woche habe ich selbst am Buch der Neger gearbeitet, unter Colonel Baker.«
    »Du wirst auf die
Anschuldigungen antworten dürfen.«
    »Welches Klägers?«
    »Gentlemen, bitte
bringen Sie diese Frau von Bord.«
    Chekura nahm meine
Hand. »Ich bin ihr Mann, und ich gehe mit ihr.«
    Der stellvertretende
Quartiermeister zog die Brauen zusammen. »Hör zu, Junge. Wenn du dieses Schiff
verlässt, kann ich dir garantieren, dass du kein anderes mehr betreten wirst.
Wenn sie ihren Kläger abweisen kann, kommt sie auf ein anderes Schiff. Aber wenn
du jetzt wieder an Land gehst, bleibst du in New York. Dafür werde ich
persönlich sorgen. Ich habe keine Zeit für so ein Hin und Her.«
    »Bleib auf dem Schiff,
Chekura«, sagte ich. »Ich komme nach.«
    »Ich kann dich nicht
allein lassen, Frau.«
    »Fahr mit diesem
Schiff. Es ist die einzige Möglichkeit. Wir finden uns in Neuschottland. Frage
nach mir, und ich frage nach dir.«
    Er umarmte mich. Ich
hielt seine Hände. Seine Finger entglitten mir, als ich von Deck gezogen wurde,
die Leiter hinunter und in ein Boot, in dem ich zurück zu Murray’s Wharf
gerudert wurde. Den ganzen Weg zurück konnte ich den Blick nicht von der Joseph wenden.
Ich wusste, Solomon Lindo hatte seinen Anspruch auf mich geltend gemacht. Er
hatte vor zwanzig Jahren dabei geholfen, mich von meinem Sohn zu trennen, und
jetzt trennte er mich von meinem Mann. Ich mochte das Gefühl von Hass in meinem
Herzen nicht, und so versuchte ich Lindo aus meinen Gedanken zu vertreiben und
stellte mir vor, Chekuras Arme um meinen Körper zu spüren.
    Die Nacht verbrachte
ich im Gefängnis. Sie hatten mir meine Tasche weggenommen, in der ein paar
Kleidungsstücke zum Wechseln und meine gesamten Ersparnisse waren. Ich hatte
nicht mal ein paar Schillinge, um den schwarzen Gefängniswärter zu bestechen.
Ich winkte ihn dennoch heran und bettelte ihn flüsternd an, Sam Fraunces von
meinem Schicksal zu berichten. Wenn er das für mich täte, versprach ich ihm,
würde Sam ihn sicher auf die eine oder andere Weise belohnen.
    Der Wärter lächelte
mich an. »Das wollte ich sowieso«, sagte er. »Ich kenne dich.«
    »Ja?«, sagte ich.
    »Du hast meine Tochter
in der St. Paul’s Chapel unterrichtet, und sie kann jetzt gut lesen. Mir hat
sie es auch ein bisschen beigebracht.«
    Am nächsten
Morgen kam Sam Fraunces, um mit mir zu sprechen. Bisher war er immer
unglaublich optimistisch gewesen, doch heute sah er düster drein.
    »Ich habe den
Engländern vertraut«, sagte ich. »Sie haben versprochen, uns zu schützen. Und
ich habe es ihnen geglaubt.«
    Sam nahm meine Hand. Er
sagte, einigen Plantagenbesitzern, die Beweise vorzuweisen hätten, sei die
Möglichkeit gegeben worden, ihre entflohenen Sklaven einzufordern.
    »Ich kann dir nicht
versprechen, dich hier herauszuholen, auch wenn ich tue, was ich kann«, sagte
er. »Aber ich habe schlechte Nachrichten.«
    »Was?«
    »Ich habe gehört, dass
Solomon Lindo in der Stadt ist.«
    Ich verbarg das Gesicht
in den Händen. »Das ist mein Ende.«
    »Gib nicht auf«, sagte
Sam. »Ich werde sehen, was ich herausfinden kann.«
    Der Wärter brachte Sam
aus meiner Zelle. Ich strich mir über den Leib und summte die Lieder meiner
Kindheit, um das Baby in mir zu beruhigen. Ich wollte keine Angst haben. Ich
wollte nicht, dass mein Baby Angst von mir lernte. Und um meine Wut im Zaum zu
halten, stellte ich mir den Mund meines Babys vor und das Geräusch seiner
ersten Schreie.
    Nach zwei
Tagen Gefängnis wurde ich, mit Fußeisen und gefesselten Händen, in Fraunces
Tavern gebracht. Der große Gastraum dort war in einen Gerichtssaal umgewandelt
worden, in dem die Forderungen der Plantagenbesitzer verhandelt

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