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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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schreiben, aber David hatte vorher kurz mit mir gesprochen, an Bord
der Hind , und mir erzählt, dass General Kospoth und seine Hessen ihn und eine
Anzahl weiterer Sklaven von einem Tabakpflanzer gestohlen hätten. »Mach es
nicht zu kompliziert, Meena«, sagte Baker und diktierte mir, was ich schreiben
sollte.
    Chekura
bewies große Geduld. Für fünf Schillinge wöchentlich fegte er den Engländern
ihre Kaserne und karrte den Abfall auf einen Kai am East River. Jeden Tag
wachten wir zwei Stunden vor Sonnenaufgang auf, hielten uns in den Armen,
fuhren uns mit den Händen über die Haut und erzählten uns Geschichten aus
siebenundzwanzig Jahren Amerika. Es gab immer noch mehr zu erzählen. Ich wollte
alles von ihm wissen und ihm alles erzählen, was mir zugestoßen war. Es war ein
großer Trost für mich zu wissen, dass mein Mann meine ganze Lebensgeschichte kennen
würde.
    Ich glaube, wir zeugten
unser Kind am 15. August 1783. Die Art, wie mein Mann tiefer und tiefer drang
und wie wir beide erzitterten und uns gemeinsam entluden, sagte mir, dass wir
wieder ein Baby gemacht hatten. Es war früh am Morgen. Die Engländer hatten
einen Pferch voller Hähne, und noch nicht einer von ihnen hatte gekräht.
    »Ich will mit dir weg
hier, sobald es geht«, sagte ich, mein Bein über seine gestreckt. »Ich will ein
richtiges Leben mit dir, Mann.«
    Chekura legte mir die
Hände auf die Wangen und fuhr die Rundung meiner Mondsicheln entlang. »Was wir
hier haben, ist schon richtig«, sagte er.
    »Aber die Engländer
haben versprochen, dass wir in Neuschottland wirklich frei sein werden«, sagte
ich.
    »Vergiss nicht all die
Sklaven und Vertragsknechte, die du auf deinen Bögen verzeichnest. Die
Engländer haben sie den Rebellen gestohlen und gleich wieder neu versklavt.
Vielleicht gelangen wir in das gelobte Land, vielleicht auch nicht: Wohin immer
wir kommen, das Leben wird nicht einfach sein. Aber das hat uns noch nie
aufgehalten.«
    »Wobei aufgehalten?«
    »Das zu tun«, sagte er
und drückte seine Lippen auf meine.
    Im August
waren bereits so viele Schiffe losgesegelt, dass in Canvas Town zahlreiche
Hütten leerstanden. Das hätte ermutigend sein können, hätte es nicht bedeutet,
dass die Sklavenfänger es damit immer leichter hatten, Beute zu machen. Die
Banden weißer Männer wurden von Tag zu Tag dreister, wenn es darum ging, Neger
einzufangen, ob die nun geflohen waren oder nicht. Hätten Chekura und ich nicht
in der Kaserne gewohnt, wären wir mit jedem Tag einer größeren Gefahr
ausgesetzt gewesen. Ich war beunruhigt. Je länger wir blieben, um anderen in
die Freiheit zu verhelfen, desto größer war die Gefahr, dass wir unsere
verloren.
    Im September, als ich wieder
einmal meinen Wochenlohn abholte, fragte ich Colonel Baker, ob nicht auch
Chekura und ich endlich auf ein Schiff könnten.
    Baker sah von seinem
Kontenbuch auf. »Er kann fahren, wann immer er will«, sagte er und nickte zu
Chekura hin. »Aber Sie müssen bis zum Ende bleiben. Wir brauchen Sie, Meena.
Das ist die Abmachung. Wir haben Sie angestellt, damit Sie bis zum Ende
bleiben.«
    »Wann wird das sein?«
    »Noch vor Ende des
Jahres.«
    Etwa fünfzig
weitere Schiffe verließen New York im Oktober. Ohne Vorwarnung oder Erklärung
wurde ich einer neuen Inspektorenmannschaft zugeteilt. Wir verbrachten einen
langen Tag auf der La Aigle , die nach Annapolis Royal in
Neuschottland fahren sollte. Viele der zu befragenden Neger hatten Papiere bei
sich, die bewiesen, dass sie in einer britischen Kompanie mit dem Namen »Black
Pioneers« gedient hatten.
    Jo Mason, 25, untersetzter Bursche, Black
Pioneers. Ehedem Bediensteter von Samuel Ash, Edisto, Süd-Carolina. Verließ ihn
im April 1780.
    Prince, 30, gewöhnlicher Kerl mit Holzbein, Black
Pioneers. Ehedem Bediensteter von Mr Spooner, Philadelphia. Verließ ihn 1777.
    Die Leute kamen in
Gruppen, als Familie oder Kriegskameraden, waren Köche und Wäscherinnen aus
demselben Regiment oder vor Jahren demselben Besitzer weggelaufen, in Charles
Town, auf Edisto Island oder auch in Norfolk. Es gab Neunzigjährige und gerade
geborene Babys, gesunde und sterbende Soldaten. Einige wurden getragen, andere
bei der Hand gehalten.
    Sarrah, 42, gewöhnliches Frauenzimmer,
stockblind, Black Pioneers. Ehedem Sklavin von Lord Dunmore. Verließ ihn 1776.
    »Wie hast du dein
Augenlicht verloren?«, fragte ich sie leise.
    »Hab Lauge für Seife
angerührt, und da gab’s ’ne Explosion«, sagte sie. »’n Mann ’n halben

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