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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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deine
Mutter, kleines Mädchen«, flüsterte Chekura in meinen Nabel.
    »Du denkst also, es ist
ein Mädchen?«
    »Natürlich ist es ein
Mädchen. Dein Papa ist nicht gut, halt dich lieber an deine Mama.«
    »Papa ist ganz in
Ordnung«, sagte ich. »Wirklich in Ordnung.«
    »Papa ist ein
Reisender«, sagte Chekura.
    »Wir sind alle Reisende«,
sagte ich, »wir alle.«
    In der Kaserne wurde
mir tags darauf gesagt, Captain Waters und Colonel Baker seien nach England
gesegelt. Ohne sich zu verabschieden. Ohne ein Danke oder einen Hinweis darauf,
wer mir in Zukunft meinen Lohn zahlen würde. Ohne ein Wort dazu, wann ich die
Stadt verlassen konnte.
    Ich fragte den
stellvertretenden Quartiermeister, einen übereifrigen, ungeduldigen General.
    »Wir brauchen deine
Dienste nicht mehr«, sagte er. »Wir brauchen Platz in der Kaserne. Du musst
zurück nach Canvas Town.«
    »Und mein Schiff?
Welches Schiff kann ich mit meinem Mann nehmen?«
    Er suchte auf seinem
Tisch herum und schob, ohne aufzusehen, etwas zu mir hin. »Nimm die«, sagte er,
und damit war ich entlassen.
    Auf unseren
Fahrscheinen stand: »Joseph, Abfahrt am 7. November
nach Annapolis Royal.«
    Chekura und
ich standen zusammen mit zweihundert anderen Negern auf Murray’s Wharf. Wir
drängten uns im eiskalten Regen zusammen und hofften, dass es in Annapolis
Royal milder als in der beißenden Kälte und dem Schnee Manhattans war. Unter
meinem schweren Mantel hielt ich die Bestätigung, die ich zu Beginn meiner
Arbeit für das Buch der Neger bekommen hatte.
    Auf einem kleinen Stück
Papier stand in fließenden, mit Tinte geschriebenen Worten:
    New York, 21. April 1783. HIERMIT wird der Inhaberin dieser
Bestätigung, Meena Dee, einer Mandinka-Negerin, bescheinigt, sich gemäß der
Erklärungen von Lord Dunmore, dem Gouverneur von Virginia, und Sir Henry
Clinton, dem verstorbenen Oberbefehlshaber der britischen Truppen in Amerika,
hinter die britischen Linien begeben zu haben, und dass besagte Negerin hiermit
die Erlaubnis Seiner Exzellenz Sir Guy Carlton hat, nach Neuschottland zu
fahren, oder welches Ziel im mer sie für richtig hält. Im Auftrag von Brigadier General Birch.
    Dazu hatte
ich Krabbenfrikadellen, Hartkäse, zwei Laibe Brot, sechs frische Äpfel und vier
Flaschen Bier bei mir, alles in Zeitungen gewickelte Geschenke von Sam
Fraunces, der mit zum Kai gekommen war, um uns zu verabschieden. Alle meine
Freunde hatten New York mittlerweile verlassen, einige in Richtung St. John,
andere in Richtung Annapolis Royal oder auch Quebec. Ich kannte niemanden von
den Leuten, die sich mit uns auf den Kai drängten. Sam Fraunces schüttelte
Chekuras Hand und umarmte mich. Ich wusste nicht, wie ich ihm danken sollte.
Nachdem Chekura und ich die Kaserne hatten verlassen müssen, hatte Sam uns in
seinem Gasthaus Unterschlupf geboten. Canvas Town sei zu gefährlich geworden,
hatte er uns erklärt. Die Weißen strichen jede Nacht durch die Gassen, und es
heiße, George Washington werde noch vor Ende November in der Stadt einziehen.
    Gerade, als Chekura und
ich an Bord gehen wollten, lehnte sich Sam zu mir hin und flüsterte mir zu,
George Washington habe ihm, wenn der Krieg erst vorüber sei, eine Anstellung
versprochen. Sam solle Chefkoch im Amtssitz des Generals in Mount Vernon in
Virginia werden.
    »Wenn die Tories ihren
letzten Anker lichten, werden sich die Amerikaner als die besseren Menschen
erweisen. Du hast sie immer verkannt.«
    »Ich versuche mein Glück
mit den Engländern«, sagte ich.
    Sam ergriff noch einmal
meine Hände. »Schreib mir an die Adresse von General Washington, in Mount
Vernon.«
    Wir wurden in den Regen
hinausgerudert, traten auf der Joseph an und mussten unter Deck auf unsere
Befragung warten. Zwei Tage lang wurde das Schiff mit Pökelfleisch,
getrockneten Erbsen, Nierenfettpudding, Wein und Wasser beladen. Endlich dann
begannen drei britische Inspektoren die Befragung für das Buch der Neger .
Ich kannte beide nicht. Zwei amerikanische Offiziere verfolgten jeden Schritt.
Chekura kam vor mir an die Reihe.
    Chekura, 41, kleiner Bursche, sagt, er hat den
Briten in Charles Town gedient. Verließ seinen Besitzer, Mr Smith, Beaufort,
1779. In Besitz einer GBB .
    Mir schien, je weniger
ich ihnen sagte, umso besser. Um es einfach zu halten, nannte ich ihnen meinen
anglifizierten Namen.
    Meena Dee, 38, aus Guinea stammend, diente seit
1777 hinter den britischen Linien. Ehedem in Besitz von Mr Lindo aus Charles
Town. In Besitz einer GBB .
    Mit

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