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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Meter weg
hatte mir gerade sein’ Rotrock gegeb’n. Der war auf der Stelle tot, da hab ich
wohl Glück gehabt.«
    »Das muss fürchterlich
wehgetan haben«, sagte ich.
    »Hab schon Schlimm'res
erlebt«, sagte sie. »Sag, biss du’ne Negerin?«
    »Afrikanerin.«
    »Schreibs’ du das alles
auf?«
    »Das ist meine Arbeit«,
sagte ich.
    »Lobe den Herrn,
Mädchen. Lobe den Herrn. Ich wollte immer lesen lernen. Jetzt reicht es wohl
nur noch zum Singen.«
    »Lord Dunmore«, sagte
ich. »Dem hast du gehört?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Dem Lord Dunmore, der
die Erklärung herausgegeben hat? Dem, der gesagt hat, wir kämen frei, wenn wir
für die Engländer kämpften?«
    »Genau dem Lord
Dunmore«, sagte sie. »Der Gouverneur von Virginia muss’n paar Sklaven ha’m.«
    »Jetzt bist du frei,
Sarrah, und du fährst nach Annapolis Royal.«
    »Weiß nich, wo das
iss«, sagte Sarrah. »Iss bestimmt hübsch da.«
    Ich beugte mich vor, um
ihr etwas zu sagen, das ich noch keinem sonst, meinen Mann ausgenommen, gesagt
hatte. Ich versicherte mich, dass uns niemand hörte. »Ich bekomme ein Baby.«
    »Ein Kind iss’n Wunder,
besonders dieser Tage«, sagte Sarrah. »Iss dein Mann bei dir?«
    »Ja.«
    »Lobe den Herrn. Komms’
du mit uns, Schätzchen?«
    »Nicht mit diesem
Schiff. Aber bald, hoffe ich.«
    »Gute Reise, Mädchen,
und pass auf deine Aug’n auf.«
    Eines kalten
Oktobermorgens, nachdem wir uns geliebt hatten, lagen wir mit verschränkten
Händen da, und Chekura erzählte mir, wie er die Spitzen seiner Finger verloren
hatte.
    »Ich habe die Engländer
über die Wasserwege der Küstenniederungen geführt. Jede Plantage, die sie
finden konnten, haben sie überfallen. Die Rebellen wurden erschossen, Messer,
Hühner, Schweine und Silber gestohlen. Einige Sklaven haben sie als Beute
mitgenommen, andere zu Helfern gemacht, wie ich einer war. Sie versprachen,
alle zu befreien, die ihnen halfen. Aber als es dann so weit war, als sie Charles
Town verlassen mussten, haben sie nur ein paar von uns mitgenommen. Wie gewohnt
war wieder mal alles eine Lüge gewesen. Aber ich wusste, wenn ich nicht mit
rauskam, wartete ein Mann aus Beaufort County nur darauf, mich in die Finger zu
bekommen, weil ich zu den Engländern übergelaufen war. Die englischen Soldaten
holten die Planke ein. Noch ein Bursche und ich, wir sprangen ins Wasser, mit
Kleidern und allem. Wir waren nur ein paar Meter vom Schiff entfernt und
versuchten, die Strickleiter hochzuklettern, aber die Männer an Bord riefen,
sie würden uns erschießen, wenn wir nicht losließen. Ich glaubte ihnen nicht.
Ich hatte ihnen monatelang gedient. Wir kletterten also weiter die Leiter hoch,
auch wenn die Seeleute an Bord jetzt ihre Entermesser schwangen. ›Lasst los!‹,
brüllten sie, aber wir kletterten weiter. Wie sich rausstellte, schossen sie
nicht auf uns, aber als mein Freund die Hand auf die Reling legte, hackte ihm
einer der Soldaten die Finger ab. Mein Freund fiel schreiend ins Wasser, und er
schrie auch noch, als sein Kopf wieder daraus auftauchte. Ich hatte jetzt beide
Hände auf der Reling, und einer der Seemänner stieß nach meiner Linken. Zwei
Fingerspitzen hat er mir abgeschnitten, aber ich hielt mich mit der anderen
Hand fest. Ich wär lieber im Wasser gestorben, als zu meinem Besitzer
zurückzugehen.
    Dann fing ich den Blick
eines anderen Seemannes auf. Den hatte ich schon mal gesehen. Ich hatte mit ihm
gehandelt und sah, wie sich sein Ausdruck veränderte, als auch er mich
erkannte. Er zog mich an Bord, gab mir einen Lappen für die blutenden Finger
und schob mich hinter sich auf Deck. Die ganze Fahrt über hatte ich Fieber und
konnte nicht aufhören, an dich zu denken. Als wir nach New York kamen, haben
sie mich in Brooklyn Heights abgesetzt. Da bin ich geblieben, bis ich von
Canvas Town hörte und da nach dir gesucht habe.«
    Ich hatte Chekura seit
unseren ersten Tagen in Amerika vermisst und wollte keinen Tag mehr ohne ihn
sein. Ich musste lang arbeiten, aber wenigstens hatten wir die frühen
Morgenstunden für uns, ganz allein für uns. Um uns zu lieben und zu reden.
    »Lass mich dem Baby in
dir drin was sagen«, flüsterte Chekura und brachte seinen Mund ganz nah an
meinen Nabel.
    »Geh da weg«, sagte ich
lachend.
    »Nein, lass mich ihm
was sagen. Ich hab ein paar Worte für das Baby.«
    Ich lächelte meinen
Mann an und dachte an die Geschichten darüber, wie mein Vater genau das Gleiche
getan hatte, als ich im Bauch meiner Mutter gewesen war.
    »Halt dich an

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