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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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wurden.
    Ich wartete mit dem
Wärter und einem Friedensrichter, der nicht einmal den Namen des Mannes nennen
wollte, der Anspruch auf mich erhob.
    Die Tür öffnete sich,
und herein trat Robinson Appleby. Mein Kinn fiel herunter. Ich hatte Appleby
seit meinem Abschied von St. Helena Island vor einundzwanzig Jahren nicht mehr
gesehen. Er hatte keine Haare mehr und einen vorstehenden Bauch, sein
Selbstvertrauen war über die Jahre aber offensichtlich noch gewachsen, und er
sah mich mit einem strahlenden Lächeln an.
    »Meena, was für eine
angenehme Überraschung«, sagte er.
    »Wie können Sie es
wagen?«
    »Sei vorsichtig, wie du
mit deinem Besitzer sprichst.«
    »Ihnen gehört nichts
als Ihr eigenes Gewissen«, sagte ich.
    »Du hast dir hier in
New York einen ziemlichen Namen gemacht«, sagte er. »Da war es leicht, dich zu
finden.«
    Appleby erklärte dem
Friedensrichter, dass ich ihm immer noch gehöre. Er sagte, er habe mich an
Solomon Lindo nur ausgeliehen, der habe sich dann mit mir aus dem Staub gemacht
und ich sei Lindo weggelaufen. Deshalb, sagte Appleby, sei ich nie befreit
worden, sei illegal in New York und gehöre immer noch ihm.
    Appleby entfaltete ein
abgegriffenes Stück Papier. »Das hier, Sir, beweist, dass ich diese Frau 1757
in Charles Town von Mr William King gekauft habe.«
    »Was erwidern Sie
darauf?«, fragte mich der Friedensrichter.
    »Das Letzte stimmt«,
sagte ich. »Aber er hat mich 1762 an Solomon Lindo verkauft.« Und dann blieb
mir nur eine Lüge: »Mr Lindo hat mich 1775 freigelassen.«
    »Wo sind Ihre
Papiere?«, fragte mich der Friedensrichter.
    »Ich habe sie
verloren«, sagte ich.
    »Sie behauptet, Papiere
gehabt und verloren zu haben«, sagte Appleby. »Ich belege meine Forderung mit
Dokumenten.«
    »Haben Sie noch etwas
anderes für sich vorzubringen?«, fragte mich der Friedensrichter.
    »Er lügt.«
    In diesem Moment
schlüpfte Sam in den Raum.
    »Mr Fraunces«, sagte
der Friedensrichter. »Haben Sie etwas zu diesem Fall beizutragen?«
    »Sie kennen mich als
aufrechten Geschäftsmann«, sagte Sam.
    »Sie haben einen guten
Ruf«, sagte der Richter.
    »Dann bitte ich Sie um
einen kurzen Aufschub. Ich brauche zwei Stunden. Ich bin dabei, einen Beweis
für die Aussage dieser Frau zu bekommen.«
    Der Richter seufzte.
»Ich habe heute noch drei weitere Fälle«, sagte er. »Ich werde sie vorziehen.
Wenn Sie anschließend Ihre Beweise noch nicht beigebracht haben, bleibt mir
keine Wahl, als den Fall zu entscheiden.«
    Ich saß bewacht und mit
Fußeisen da, während Appleby zum Essen ging. Hinten im Raum konnte ich die
Klagen gegen zwei andere Neger mitverfolgen, die wie ich von Schiffen im Hafen
geholt worden waren. Beide, ein Mann und eine Frau, wurden den Männern
zugesprochen, die behaupteten, sie gehörten ihnen. Ich verabscheute die
Amerikaner dafür, dass sie diese Neger für sich beanspruchten, aber meine noch
größere Verachtung galt den Engländern. Sie hatten uns auf jede Art und Weise
für ihren Krieg benutzt. Als Köche. Huren. Hebammen. Soldaten. Wir hatten ihnen
unser Essen, unsere Betten, unser Blut und unser Leben gegeben, und kaum, dass
die Sklavenbesitzer mit ihren Geschichten und ihren Zetteln kamen, kehrten sie
uns den Rücken und erlaubten, dass wir wie Waren davongeschafft wurden. Unsere
Demütigung bedeutete ihnen ebenso wenig wie unser Leben.
    Appleby wartete mit
zwei kräftigen Helfern. Um mich besser abtransportieren zu können, fürchtete
ich. Endlich kam Sam Fraunces wieder herein.
    »Mr Fraunces«, sagte
der Richter, »sind Sie in diesem Fall weitergekommen?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann bringen Sie Ihre
Beweise.«
    »Das werde ich.«
    Sam öffnete die Tür,
und Solomon Lindo kam herein.
    Solomon Lindo? Sam
musste den Verstand verloren haben. War er zu einem Verräter geworden?
Besiegelte er damit mein Schicksal? Vielleicht hatte Lindo ihm Geld geboten.
Vielleicht waren die Zeiten so schlecht, dass Sam es brauchte, doch das war
nicht möglich. Anders als Appleby, der ihn mit zusammengepressten Lippen ansah,
ging Lindo mit gesenktem Kopf und schlurfendem Schritt. Er sah mich nicht an.
    »Bitte identifizieren
Sie sich«, sagte der Friedensrichter.
    »Mein Name ist Solomon
Lindo.«
    »Wohnhaft?«
    »In Charles Town.«
    »Von Beruf?«
    »Händler.«
    »Haben Sie Besitz?«
    »Ja, ich habe Besitz«,
sagte Lindo, »ein Haus in Charles Town und eine Indigo-Plantage auf Edisto
Island.«
    Seine
Inspektorenstellung musste er während der Kriegsjahre verloren haben.

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