Ich habe einen Namen: Roman
wie er gestorben ist.«
»Nun, die Ärzte tun für
die Sklaven, was sie können. Sie sind eine Nummer besser als der Rest.« Er
machte eine kurze Pause. Als er weitersprach, war seine Stimme kaum noch zu
hören. »Aber trotzdem, sie machen mit. Sie sorgen für den Fortbestand der
Sünde. Ich selbst habe es getan. Aber damit ist es vorbei.«
Ich sagte, das habe
Clarkson mir ebenfalls erzählt.
»Dann müssen Sie auch
wissen, dass ich verheiratet bin und meine Frau draußen auf dem Schiff ist.«
Auch das wusste ich.
»Das heißt, meine
Absichten sind ehrenhaft. Kommen Sie heute Abend an Bord der King George und lassen Sie uns etwas mehr reden.«
Falconbridge
verfügte auf der King George über mehrere Räume. Für diesen Abend
hatte er bei seinem Temne-Koch einen frischen Hühnereintopf bestellt und bot
mir ein Glas Rum an.
»Ich nehme ein
kleines«, sagte ich.
»Ein kleines für Sie
und ein nicht so kleines für mich«, sagte er mit einem Lächeln.
Er lehnte sich zurück,
atmete aus, nahm einen Schluck und atmete noch einmal aus. »Das Leben ist kurz,
und wir müssen uns unsere Freuden suchen, wo wir sie finden können.«
Ich nickte.
»Ich erwarte nicht,
hier lebend wegzukommen, und da soll ich verdammt sein, wenn ich mir die
Freuden des Trinkens versagen lasse.«
Wir redeten von all den
verschiedenen Orten, an denen die Neuschottländer gelebt hatten, bevor sie nach
Sierra Leone gekommen waren: Afrika, Georgia, Süd-Carolina, Virginia, New York,
Neuschottland und Neubraunschweig, um nur ein paar zu nennen.
»Engländer sind
geborene Seefahrer«, sagte Falconbridge, »aber nur wenige kennen all die Orte,
an denen ihr Neuschottländer schon wart.«
»Wir sind Reisende«,
sagte ich.
Wir waren mitten in
unserer Unterhaltung, als das Essen kam. Danach nahm sich Falconbridge die
Serviette vom Schoß, schob seinen Stuhl ein Stück zurück und seufzte.
»Hassen Sie mich
eigentlich?«, fragte er.
»Sollte ich das?«
»Könnten Sie nicht alle
Weißen ohne Unterschied hassen? Grund genug dafür hätten Sie.«
Ich schüttete mir
Wasser aus der Karaffe nach. »Wenn ich meine Zeit hassend verbracht hätte,
wären mir schon vor langer Zeit die Gefühle ausgegangen, und ich wäre nicht
mehr als eine leere Kaurimuschel.«
Falconbridge kratzte
sich den Ellbogen, er schwitzte fürchterlich. Ich fragte mich, wo ein weißer
Mann badete, wenn er auf einem vollen Schiff wohnte, das nicht mehr seetüchtig
war. Wir Neuschottländer in Freetown hatten getrennte Badehäuser für Männer und
Frauen eingerichtet, und es war sicher kaum ein Siedler zu finden, der nicht
wenigstens einmal wöchentlich badete. Die von uns, die in Afrika geboren waren,
badeten öfter, manche sogar täglich. Mitunter ging ich spätabends noch, wenn
ich nicht einschlafen konnte, mit einem Eimer Wasser hoch zum Wald. Da suchte
ich mir eine ruhige Stelle unter Bäumen und Sternen und sah hinauf zu der
Trinkkalebasse, die ich als Kind schon bewundert hatte. In der kühlen Nachtluft
genoss ich es, mir das warme Wasser auf die Haut zu spritzen und zu überlegen,
manchmal zumindest, ob in der Nacht, als ich gestohlen wurde, überhaupt jemand
in Bayo überlebt hatte.
Falconbridges Stimme
riss mich aus meiner Träumerei. »Sie hätten einen Grund, mich zu hassen.
Glauben Sie an die Erlösung?«
Manchmal staunte ich,
wie direkt die Weißen sein konnten. »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich bin
drei Monatsmärsche nordöstlich von hier geboren. In meinem Dorf gab es
unterschiedliche Religionen. Mein Vater war Muslim und las den Koran. Andere in
unserem Dorf sagten, Tiere und manchmal sogar Pflanzen seien von Geistern beseelt.
Wir glaubten daran, uns gegenseitig bei der Ernte zu helfen. Wir haben zusammen
gearbeitet. Zusammen gegessen. Zusammen Hirse gemahlen. Wir glaubten, dass wir
nach dem Tod wieder zusammenkämen und zu den Vorfahren zurückkehrten, die uns
das Leben geschenkt hatten. Niemand sprach von Erlösung.«
»Die Erlösung wurde von
den Sündern erfunden«, sagte er. »Ich habe gesündigt, aber ich habe mich auch
geändert. Es war meine Aufgabe, in den Frachtraum zu gehen und zu entscheiden,
ob die Leute noch atmeten oder eben nicht. Ich habe grässliche Misshandlungen
miterlebt. Auf den Sklavenschiffen ist meine Seele gestorben.«
»Ich weiß, was unten in
den Schiffen vorgeht«, sagte ich.
Falconbridge drückte
sich die Finger auf die Schläfen. »Wissen Sie, dass ich nichts, rein gar nichts
für die Menschen tun konnte? Wenn ich ein
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