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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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vorgeht.«
    Armstrong kam von
hinten und schloss den Fensterladen wieder. »Entschuldigen Sie vielmals«, sagte
er, »das hätten Sie nicht sehen sollen.«
    Ich brachte kein Wort
heraus.
    »Falconbridge sagt,
dass Sie Bücher und Karten lieben«, sagte Armstrong. »Wie wäre es, wenn wir in
mein Arbeitszimmer gingen?« Er führte mich in einen Raum voller Regale und
Bücher.
    »Tee?«, fragte
Armstrong. »Soll ich nach einem Diener klingeln?« Bevor ich antworten konnte,
läutete er bereits.
    Ein Temne erschien und
vermied es, mich anzusehen. Er nahm Armstrongs Bestellung entgegen und kam
Minuten später mit einem Tablett zurück. Ich wollte diesen Tee nicht trinken,
noch irgendetwas essen oder auch nur eine weitere Minute in der Festung
bleiben, aber ich saß fest. Ich nahm den Tee und versuchte Tasse und Untertasse
ruhig auf meinem Schoß zu halten.
    »Falconbridge hat mir
einiges über Sie erzählt. Ich hoffe, das stört Sie nicht«, sagte Armstrong.
    »Ganz und gar nicht.«
    »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Doch«, sagte ich, aber
meine Hände zitterten, und die Tasse klapperte auf der Untertasse. »Ich meine,
nein. Aber es geht schon wieder.«
    »War es der Anblick der
Sklaven?«
    Ich sah ihm fest in die
Augen.
    »Falconbridge sagt, Sie
sind als Kind aus einem Dorf tief im Landesinneren geholt worden.«
    »Das ist richtig.«
    »Kaum zu glauben. Dass
Sie hier waren, über den Atlantik gebracht wurden und jetzt wieder hier sind
… Sie müssen verstehen, das ist ungewöhnlich.«
    Ich ließ ihn seine
Gedanken weiterdenken.
    »Er sagt, Sie wollen
zurück nach Hause.«
    »Ja, das will ich.«
    »Darf ich offen sein?«
    Ich nickte.
    Armstrong nippte an
seinem Tee, stellte seine Porzellantasse auf den polierten kleinen Tisch neben
sich und sagte: »Das bringt Ihnen überhaupt nichts.«
    »Es geht nicht darum,
ob es mir etwas bringt. Ich will nur einfach nach Hause.«
    »Sie werden zurück in
die Sklaverei geraten«, sagte er.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil die Menschen
schlecht sind.«
    Ich konnte nicht länger
auf meinem Stuhl sitzen. Ich stand auf, ging hinüber zu Armstrongs Bücherregal
und zog das Tagebuch eines Sklavenhändlers (John
Newton), 1750–1754 heraus,
stellte es zurück und drehte mich wieder zu Armstrong um. »Ich bin in Afrika
geboren, aber nicht hier, sondern einen langen Fußmarsch weit im Nordosten. Ich
habe den Ozean überquert, um zurück nach Hause zu kommen. Glauben Sie, ich
lasse mich dadurch aufhalten, dass Sie mir sagen, es ist gefährlich?«
    »Woher wissen Sie, dass
Sie damals von hier aus verschifft wurden?«
    »Ein Sklavenbesitzer
hat es mir gesagt, in Süd-Carolina. Aber ich erinnere mich auch.«
    »An was erinnern Sie
sich?«
    »Bei den Gewittern
nachts schien der Donner nach den Blitzen aus den Berghöhlen zu schallen.«
    »Die Gewitter gibt es
überall an der Küste«, sagte Armstrong.
    »Ich erinnere mich an
diese Festung und die Sklavenpferche. Ich erinnere mich sogar an das
lächerliche Spiel mit den Schlägern und der Kugel, das Sie spielen.«
    »Sie erinnern sich,
dass hier jemand Golf gespielt hat?«
    Ich nickte.
    »Von Bance aus, wohin
sind Sie da verschifft worden?«
    »Nach Charles Town.«
    »Und wo genau sind Sie
angekommen?«
    »Auf Sullivan’s Island.
Ein oder zwei Wochen haben sie uns dort unter Quarantäne gehalten.«
    »Sie haben sich die
Einzelheiten genau gemerkt.«
    »Es besteht kein Grund,
mich nach meinem Leben auszufragen«, sagte ich.
    »Und das ist vierzig
Jahre her, sagen Sie?«
    »Ich bin 1757 in
Charles Town angekommen, da war ich etwa zwölf.«
    »Und jetzt wollen Sie
nach Hause?«, fragte er wieder.
    »Das wollte ich vom
ersten Moment an, als ich verschleppt worden war.«
    »Aber warum?«
    »Wollen Sie, bevor Sie
sterben, nicht noch mal nach England?«
    »Wenn ich ein Schiff
nach Hause besteige, bringt es mich hin. Aber Sie werden Ihr Dorf im
Landesinneren nicht wiederfinden. Entweder weil Sie den Weg nicht finden oder
weil es zerstört ist. Tausende Sklaven sind aus dem Landesinneren geholt
worden. Ganze Dörfer sind geleert worden. Ich bezweifle, dass es Ihr Dorf noch
gibt. Glauben Sie mir.«
    »Das kann ich nicht.
Ich muss es selbst herausfinden.«
    »Die Händler sind
brutale Kerle.«
    »Und die Einzigen, die
den Weg kennen.«
    Er seufzte, nippte an
seinem Tee und sagte, er hoffe, ich habe nichts dagegen, über Nacht zu bleiben.
Ich hob die Brauen.
    »Heute sind keine
Händler hier, ich erwarte erst morgen wieder welche.«
    Armstrong sagte, er
werde

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