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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Sicherheit.
    »Armstrong, alter
Junge«, sagte Falconbridge, »das ist die Frau, von der ich dir geschrieben
habe. Eine brillante Person. Sie ist Afrikanerin, Amerikanerin und
Neuschottländerin und hat eine Vielzahl von Reisen hinter sich gebracht, die
nicht alle freiwillig waren. Und lass mich dir sagen, sie ist belesener als
neun von zehn Engländern.«
    Ich hatte mir
vorgestellt, für Falconbridge wäre dieser Ausflug so etwas wie eine lästige Pflicht,
und es beunruhigte mich, wie entspannt er mit Armstrong umging.
    Armstrong lächelte.
»Ich mag Frauen, die ein gewisses Mysterium darstellen. Ich hab uns von meinen
Jungs etwas zum Essen bringen lassen. Habt ihr Hunger? Es ist eine lange Fahrt
flussaufwärts.«
    Falconbridge gab
Armstrong eine Flasche Rum aus Barbados. »Guter Mann«, sagte Armstrong und
schlug ihm auf den Rücken. »Eine kleine Runde Golf, nur ein paar Minuten, bevor
wir uns zum Essen setzen?«
    »Warum nicht?«, sagte
Falconbridge.
    »Kommen Sie mit
zusehen?«, fragte mich Armstrong.
    Ich schien keine andere
Wahl zu haben, wollte ich doch nahe bei Falconbridge bleiben. Wir gingen die
vielen Stufen zur Festung hinauf. Sechs Kanonen deuteten aufs Meer hinaus. Der
Union Jack wehte im Wind, und wie auf dem Anleger unten gab es Wachen auf dem
Dach und am Tor, die nach Fremden Ausschau hielten und das Wasser nach
herannahenden Booten absuchten.
    Hinter der Burg
benutzten die Männer abwechselnd die Schläger, um einen kleinen Holzball
zwischen zwei Löchern hin und her zu schlagen. Immer wenn ein Ball in eines der
Löcher fiel, holte einer der beiden ihn heraus und schlug ihn zurück zum
anderen Loch. Engländer amüsierten sich auf die seltsamste Weise. Ich musste an
die Zeit auf dem Sklavenschiff denken, und wie sehr der Medizinmann in seinen
Papagei vernarrt gewesen war. Endlich gaben sie die Schläger einem kleinen
Temne-Jungen mit Kappe, Hemd und Kniehose, und wir betraten die Festung.
    Was die Größe und die
Verzierungen anging, konnte die Burg durchaus mit dem Government House in
Halifax konkurrieren. Wir stiegen marmorne Stufen hinauf und betraten einen
Essraum im ersten Stock, in dem ein großer Tisch aus rötlichem Gabanholz stand,
umgeben von glänzenden, gleichen Stühlen. An den Wänden hingen Bilder von König
George  III . und Königin Charlotte. Ich sah die
Königin eine Minute lang an und verstand nicht, wie sie von jemandem schwarz
genannt werden konnte: Ihre Haut war hell, und auch die Züge waren die einer
weißen Frau. Ich wandte den Blick von ihr ab. Elegante silberne Kerzenständer
standen überall im Raum verteilt. In den beiden gegenüberliegenden Wänden links
und rechts gab es große, mit Fensterläden versehene Fenster. Auf der einen
Seite waren sie offen und erlaubten einen Blick auf den Sierra Leone River, die
anderen mussten auf die Rückseite des Komplexes hinausgehen, sie waren
verschlossen, und ich konnte nicht hinaussehen.
    Armstrong gab
Falconbridge ein Glas Sherry.
    »Trinkt sie auch?«,
fragte er.
    »Frag sie«, sagte
Falconbridge. »Sie weiß selbst, was sie will, diese Frau.«
    Armstrong wandte sich
mir zu. »Einen Sherry?«
    Während ich über die
Antwort nachdachte, stießen die beiden Männer mit ihren Gläsern an. Etwas an
dem Geräusch ließ mich an das Rasseln von Ketten denken, und ich fiel einen
Moment lang in ein Loch aus Grauen. Diese Männer konnten hier auf Bance Island
mit mir machen, was sie wollten. Hatte ich den Verstand verloren, herzukommen?
Wenn sie sich aus irgendeinem Grund gegen mich wandten, konnte ich mich
innerhalb von Tagen oder Stunden in Ketten auf einem Sklavenschiff
wiederfinden.
    »Ist alles in
Ordnung?«, fragte Armstrong.
    »Ja, danke«, sagte ich,
»und ich nehme bitte auch ein Glas.«
    Armstrong nickte einem
wie ein englischer Butler gekleideten Temne zu, der mir einen Sherry brachte.
Es war eine Erleichterung, meine Hand um den Stiel des Glases zu legen. Ich
atmete tief ein und nahm einen winzigen Schluck.
    Der Sherry schmeckte
wie eine Mischung aus Melasse und Urin. Ich mühte mich, nicht die Brauen
zusammenzuziehen, und hielt das Glas fest in der Hand. Es kostete mich einige
Anstrengung, ruhig zu erscheinen.
    Ich wurde neben
Falconbridge gesetzt, gegenüber von Armstrong. Afrikanische Diener brachten uns
Brot, Käse, Obst, Wein, Wasser und dampfende Platten mit Maniok, Fisch und
Schweinefleisch. Das Essen war frisch, es roch köstlich, und doch rührte ich
meines kaum an. Mein Appetit war verschwunden. Ich wollte mein

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