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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Oswald«, sagte
er mit leiser, tonloser Stimme.
    »Was?«
    »Die Gesellschaft, die
Bance Island betreibt. Grant, Oswald. Richard Oswald ist Schotte, die
Gesellschaft gehört ihm. Seine Partner …«
    William Armstrong zog
sich auf seinen Stuhl zurück und legte sich die Hand auf die Stirn. Ich ließ
ihn einen Moment lang ruhig dort sitzen, wandte mich ab und schloss die Knöpfe
und die Schnalle meines Kleides wieder. Dann machte ich drei Schritte in seine
Richtung und sah ihm direkt in die Augen.
    »Sie haben keine
Ahnung, was ich durchgemacht habe. Jeder wache Moment ist ein Albtraum für die
Menschen, die Sie da draußen jenseits dieser Mauern gefangen halten. Sie haben
keine Ahnung, was sie zu ertragen haben und ob sie die Zeit auf See überleben,
keine Ahnung, welche Unzahl an Erniedrigungen und Schrecken sie an ihrem Ziel
erwartet.«
    »Über einige Dinge
denkt man besser nicht nach«, sagte er.
    »Sagen Sie das Ihren
Gefangenen.«
    Armstrong erhob sich
und sagte, er werde dafür sorgen, dass es mir an nichts fehle. Morgen, sagte
er, werde er mit mir zu den Händlern gehen.
    Am nächsten
Morgen lag schwerer Nebel über dem Wasser. Ich frühstückte in meinem Zimmer,
trank Kaffee und aß etwas Brot. Danach folgte ich Armstrong nach draußen, am
Kochhaus und den strohgedeckten Hütten der afrikanischen Arbeiter vorbei zu
einem zweistöckigen Gebäude, in dem es drei Räume voller importierter Waren
gab. Ich sah Kaurimuscheln von den Malediven, Eisenbarren aus England,
parfümierte Seife aus den Niederlanden und Rum. Es gab Pistolen, Gewehre und
Munition. Ich sah große Stoffballen in allen möglichen Farben, die Armstrong
von der East India Company in London gekauft hatte. Dazu gab es Messer und
Säbel, eiserne Töpfe und Kessel, Tücher, Hosen und Kleider.
    Als die Sonne aufging,
kamen die ersten Sklavenhändler ins sogenannte Palaver House, schüttelten
Armstrong die Hand und inspizierten die Waren, die sie im Austausch für ihre
Sklaven bekommen mochten. Ich sah Fulbe in weißen Gewändern und mit weißen
Kopfbedeckungen, Temne in ihrer eigenen typischen Kleidung und Mandinka-Händler
aus dem Landesinneren. Ich hörte Temne, Arabisch, Fulfulde, Mandinka und
Englisch, und dazu noch eine ganze Litanei von Sprachen, die ich nicht
verstand.
    Armstrong und der
oberste Fulbe, ein Mann namens Alassane, begannen zu verhandeln. Alassane
sprach Temne, was für Armstrong von einem Helfer ins Englische übersetzt wurde.
Alassane wollte zwanzig Eisenbarren, ein Fass Rum, einen Stoffballen, sechs
Gewehre, zwei Kisten Munition, zwei Eisenkessel und zwei Säbel für jeden
gesunden männlichen Erwachsenen. Armstrong bot ihm die Hälfte. Am Ende einigten
sie sich etwa in der Mitte, wobei Alassane für jede gesunde Frau die Hälfte des
Preises für einen Mann bekam und für jedes Kind ein Viertel. Als sich die
Männer in eine endlose Diskussion darüber verstrickten, wie viel Elfenbein,
Gabanholz, Rum und Waffen im Verhältnis zueinander wert waren, hörte ich nicht
mehr zu, sondern dachte daran, wie ich einst für diese Dinge eingetauscht
worden war. Die Männer, die mich kurz vor Bayo entführt hatten, hatten bestimmt
gleich meinen Wert eingeschätzt. Vielleicht war ich in ihren Augen ein paar
Kaninchen und eine Ziege wert gewesen. In Süd-Carolina hatte ich als »übrig
gebliebener« Sklave zunächst höchstens ein, zwei Pfund gekostet. Wobei ich in
gewisser Weise Glück gehabt hatte, dass mich überhaupt einer nahm, denn sonst
wäre ich womöglich umgebracht worden. Solomon Lindo war ich später sechzig
Pfund wert gewesen. Wer war schuld an diesem Übel, und wer hatte es angefangen?
Liefen die Bewohner von Bayo – sollte ich es je bis dorthin schaffen? – auch
heute noch Gefahr, taxiert und verschleppt zu werden? Hielten sie auch selbst
immer noch Wolosos, Sklaven in zweiter Generation, wie sie es in meiner
Kindheit getan hatten? Mir schien, dass der Menschenhandel so lange weitergehen
würde, wie es einigen freistand, andere in ihren Besitz zu nehmen.
    William Armstrong rief
meinen Namen. Eine Reihe Leute sahen mich an. Vielleicht hatte er schon öfter gerufen.
Es sei an der Zeit, sagte er, dass ich mit Alassane spräche.
    Ich hörte, dass
Alassane sich mit seinen Leuten auf Fulfulde unterhielt, der Sprache meines
Vaters, und er sollte nicht wissen, dass ich sie verstand. Also sprach ich ihn
auf Temne an und sagte, ich wolle weit ins Landesinnere, zu einem Dorf mit dem
Namen Bayo, etwa drei Monde nordöstlich, nicht weit

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