Ich habe einen Namen: Roman
Runde. Biton hörte ihn und ließ
ein tiefes, dröhnendes Lachen hören, das durch den Raum hallte. Er rief: »Im
Hintern eines Löwen«, und der Mann neben ihm wiederholte es. Alle, die Bambara
sprachen, riefen die Worte. Einer fragte, und alle anderen antworteten.
»Wo sind wir?«, fragte
der eine.
»Die Schwester sagt, im
Hintern eines Löwen«, antworteten zwei andere.
»Ich sage, wo sind
wir?«, rief wieder ein anderer.
»Im Hintern eines
Löwen«, antworteten noch mehr.
Einer fragte: »Wer ist
die Schwester, die uns besucht?«
»Aminata. Ich bin aus
Bayo, bei Ségou am Joliba.«
Die im Dunkeln
liegenden Männer wiederholten meinen Namen und riefen mir ihre zu, als ich an
ihnen vorbeikam. Sie wollten, dass ich sie kannte. Wer sie waren. Ihre Namen.
Dass sie lebten und weiterleben würden.
»Idrissa.«
»Keita.«
Und immer so weiter.
Ich suchte nach Fomba und entdeckte ihn endlich. Ich rief seinen Namen. Keine
Silbe kam von seinen Lippen. »Ich bin’s, Aminata«, flüsterte ich. Nichts. Er
wollte nicht sprechen. Ich berührte seine Wange, aber er zeigte keinerlei
Reaktion. Ich wollte meinen Kopf neben diesen großen, starken Mann legen, der
verstummt war und leer, aber der Medizinmann ergriff meinen Arm und deutete
nach vorn.
Der Helfer schloss eine
hölzerne Trennwand auf, sie glitt zurück. Dahinter kam ein weiterer Raum mit
vielleicht zwanzig Frauen und einer Handvoll Babys zum Vorschein. Die Frauen
waren nicht angekettet, hatten aber wenig Platz, um sich zu bewegen. In der
Mitte war der Raum etwas höher, sodass die Frauen dort stehen konnten, wenn die
größeren auch den Kopf einziehen mussten. Ich wand und schob mich zwischen
ihnen hindurch. Sie flüsterten mir ihre Namen zu und fragten, woher ich sei.
Da packte eine Hand
meinen Ellbogen. Es war Fanta. »Bleib von den Toubabu weg, denn sie werden dich
essen«, sagte sie.
Ich machte mich von ihr
frei und trat ein Stück zur Seite. Ich hörte ein Baby, das zu weinen begann,
und suchte, bis ich Sanu fand. Sie fasste meinen Arm.
»Ich brauche Wasser,
sonst habe ich keine Milch für mein Baby«, sagte sie.
Ich legte meine Finger
auf ihre.
Der Medizinmann drängte
sich an mir vorbei und stieg die Treppe hinauf. Der Helfer kam, drehte sich mit
seinem Licht im Kreis und sagte: »Du bleibst hier, bis ich dir sage,
heraufzukommen. Nimm den Platz hier, bei der Treppe«, sagte er. »Wenn du den
Platz wechselst, schlage ich dich. Wenn du hier bleibst, spare ich mir die
Schläge für die anderen auf.«
Ich sah ihn trotzig an.
Er hob den Arm. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mich geschlagen hat. Ich
weiß nur noch, wie ich zu Boden gefallen bin.
Als ich
aufwachte, war es finster, und ich hatte einen üblen Geschmack im Mund. Ich
wurde durchgerüttelt, als säße ich auf einem Esel, der Palmwein getrunken
hatte. Mein Magen fühlte sich krank und wund an. Und leer. Ich versuchte, ganz
ruhig zu bleiben und wieder einzuschlafen, aber das Rütteln hörte nicht auf,
und eine Stimme drang zu mir durch. Ich öffnete die Augen. Der Medizinmann.
Ich drehte mich auf dem
rauen Holz und spürte, wie mir ein Splitter in die Hüfte fuhr. Ich hob den Kopf
so weit es ging und schob mich aus meiner Ecke, bis ich stehen konnte. Meine
Hüften schmerzten. Angetrocknete Exkremente bedeckten meine Füße. Meine Zähne
waren ungeputzt, und ich spürte mein frauliches Blut aus mir laufen. Ich hasste
es, so vor diesem haarigen Toubab stehen zu müssen.
Der Medizinmann packte
meine Hand und zog mich die Treppe hinauf. Wir kamen aus einer anderen Luke als
der für die männlichen Gefangenen. Draußen auf Deck stach mir das Tageslicht in
die Augen, und ich musste sie schließen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich
unser Schiff übers offene Wasser gleiten, ohne dass ein Ruderer zu sehen
gewesen wäre. Wellen hoben das Schiff und ließen es wieder sinken, auf und ab.
Über mir schlug Stoff an den hohen Pfosten, den Flügeln eines Ungeheuers
gleich. Ich konnte kein Land sehen. Keine Kanus mit Heimatländern. Wir waren
fern in einer Welt aus Wasser. Ich dachte, dass die Toubabu über
furchterregende magische Kräfte verfügen mussten, um dieses Schiff über die
endlose Wasserwüste zu steuern.
Der Medizinmann zeigte
auf einen Eimer Wasser. Ich hockte mich daneben und spülte mich ab. Ich war
völlig verkratzt, im Gesicht, an Hüften und Schenkeln, bis hinunter zu den
Füßen. Das Brandzeichen auf meiner Brust war noch zu wund, als dass ich es
hätte berühren oder waschen
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