Ich habe einen Namen: Roman
ging hinüber, um hindurchzusehen, und spürte
einen feinen Nebel auf dem Gesicht. Wir fuhren durch ruhiges Wasser. Ich konnte
die Stoffe oben sanft flattern hören, doch dann war da ein neues, fremdes
Geräusch hinter mir. Ich erstarrte. Obwohl sich die Tür nicht geöffnet hatte,
war ich sicher, dass mich jemand beobachtete. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
Ich fuhr herum. Nichts. Niemand. Keine Menschenseele. Aber da war das Geräusch
wieder, es kam aus der Ecke des Raumes. Auf einem kleinen Tisch dort stand ein
metallener Käfig, und drinnen saß ein blaugelber Papagei mit einem bösen
Schnabel. Die Flügel raschelten. Ich fuhr zurück. Aber er bewegte sich nur auf
der Stange und konnte nicht weg, konnte mir nichts tun, denn er war genauso in
seinem Käfig eingesperrt wie ich auf diesem Schiff.
Der Papagei legte den
Kopf auf die Seite, als wollte er mich besser in den Blick bekommen, und sagte
plötzlich eine Reihe Worte. Ich verstand nicht eines von ihnen. Der Vogel sang
nicht, er redete, jedoch nicht in einer Heimatländersprache. Der Vogel benutzte
die Sprache der Toubabu.
Neben dem Käfig stand
ein Teller mit Nüssen. Ich biss in eine. Sie schmeckte köstlich. Ich steckte
noch zwei in den Mund und zerkaute sie. Der Vögel sah auf die Nüsse und auf
meinen Mund. Hin und her sah er und kreischte wild. Ich ließ die Nüsse fallen.
Neben ihnen lag eine gelbe Frucht mit dicker Schale, etwa halb so groß wie
meine Faust und zu den Enden hin spitz. Ich biss hinein. Sie war bitter, und
ich legte sie zurück.
Die Tür ging auf, und
ich drehte mich um.
»Oh, oh, oh«, sagte der
Medizinmann. Er kam zu mir und betrachtete die gelbe Frucht mit meinen
Zahnabdrücken. Er griff an seinen Gürtel und zog ein Messer aus einer Scheide.
Ich wich zum Bett zurück und kniff die Lippen zusammen, um keinen Schrei
auszustoßen, aber er richtete das Messer nicht gegen mich, sondern schnitt die
Frucht in Stücke, nahm einige leichte, braune Kristalle aus einem Glas und
sprenkelte sie darüber. Dann hob er eines der Stücke zum Mund, biss hinein und
saugte das Fleisch in den Mund, ohne die Schale zu essen. Er gab mir ein Stück.
Ich hob es an meinen Mund, saugte und würgte, weil es so sauer war. Der
Medizinmann streute mehr Kristalle darüber. Ich saugte wieder. Der Geschmack tanzte
durch meinen Mund, und mir wurde plötzlich bewusst, wie hungrig und durstig ich
war.
Er hatte mir zwei
Kokosnussschalen gebracht, eine mit Wasser und eine mit gekochten Jamswurzeln
mit Palmöl. Ich aß die Jamswurzeln zu schnell, trank das Wasser, als könnte es
mir jemand stehlen, und spürte, wie mein Magen zu revoltieren drohte. Das
Schiff stampfte wieder über die Wellen.
»Essen«, sagte er und
deutete auf das, was ich aß.
Ich wiederholte das
Wort.
»Hungrig«, sagte er und
klopfte sich auf den Bauch.
Ich versuchte auch das
zu sagen.
Er klopfte noch einmal
auf die Fläche, auf der ich saß. Ich erinnerte mich an das Wort.
»Bett«, sagte ich.
Er lächelte und
bedeutete mir, ich solle mich hinlegen. Das schien mir keine gute Idee, doch
ich konnte nirgends hin. Das Schiff war ein Rätsel für mich. Selbst, wenn ich
mich befreite und dem Medizinmann davonlief, wüsste ich nicht, wo ich die
anderen Frauen finden sollte, und falls ich sie fände, würde ich wieder in dem
stinkenden Raum schlafen müssen. Er zog einen gewebten Stoff über mich,
streichelte meine Schulter und sagte mehrmals: »Mary.«
Seine Hand schlüpfte
unter den Stoff und wanderte meinen Körper hinunter. Ich drehte mich abrupt
weg, zog mir den Stoff bis ans Kinn und presste die Beine zusammen. Wieder
griff er nach mir. Ich setzte mich auf und fauchte ihn an.
»Tu das nicht, oder
mein Vater steht von den Toten auf und streckt dich nieder«, sagte ich. »Ich
bin erst elf Regenzeiten alt.«
Der Toubab hatte keine
Ahnung, was ich ihm da sagte, aber er muss meine Wut und meine Angst gespürt
haben. Einige Tiere greifen um so heftiger an, wenn sie Angst wittern. Der
Medizinmann wandte sich mit einem Ruck von mir ab und verbarg den Kopf in den
Händen. Etwas später griff er nach einem weißen Ding auf dem Tisch und drückte
es sich an die Brust. Es war eine komisch einfache Schnitzerei, ein Stock mit
einem anderen quer darüber. Er drückte das Ding an die Brust und murmelte leise
etwas, deckte mich mit dem Stoff zu, klopfte mir auf die Schulter und murmelte
immer noch. Aber seine Hand fuhr mir nicht mehr über den Körper. Ich blieb
starr liegen, ohne eine Reaktion auf ihn.
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