Ich habe einen Namen: Roman
können. Das Salzwasser stach und brannte auf meiner
Haut, dennoch tat es gut, all den Schmutz von mir abzuwaschen. Während ich das
Wasser aus dem Eimer schöpfte und mich damit wusch, sah ich andere Frauen um
Eimer mit Essen hocken. Mit den Fingern aßen sie einen Brei aus zerstampften
Bohnen.
Der Medizinmann gab mir
eine leere Kokosnussschale und deutete auf einen Eimer mit frischem Wasser. Ich
schöpfte etwas heraus und nippte vorsichtig daran. Kein Salz. Hastig trank ich
die Schale leer. Fanta trat zu mir.
»Gib«, sagte sie und
zeigte auf die Kokosnussschale. »Ich habe nicht genug bekommen.«
Ich gab sie ihr.
Während Fanta trank, gab mir der Medizinmann ein langes, sandfarbenes Tuch. Ich
nahm es, um mich damit zu bedecken, und fühlte mich fast so erleichtert wie
durch das Trinken.
Fanta ließ die Kokosnussschale
fallen. »Erst die Frauen, dann die Kinder«, sagte sie, nahm mir das Tuch weg
und wickelte sich darin ein.
Der Medizinmann
schnaufte durch die schiefen Zähne, sagte aber nichts. Ich war nicht sicher,
was für ein Mann er war. Wenigstens schien er wenig geneigt, Schläge
auszuteilen. In diesem Moment wünschte ich mir, er hätte Fanta ins Gesicht
geschlagen und ihr das Tuch wieder abgenommen. Aber er überließ es ihr und
bedeutete mir, ihm an den Frauen vorbei und durch eine Tür zu folgen.
Der Medizinmann führte
mich in einen abgetrennten Bereich für die Männer. Etliche von ihnen waren an
die Schiffswand gekettet. Einige riefen meinen Namen, und ich grüßte jeden
einzelnen von ihnen. Ich kam zu Biton, den Häuptling von unten. Er stand mit
gereckten Schultern und erhobenem Kopf da.
Er lächelte. »Aminata
Diallo«, sagte er mit kräftiger Stimme, und auch mit Stolz. Es gefiel mir, ihn
so zu hören, und ich hob den Kopf etwas mehr.
»Häuptling Biton«,
sagte ich.
»Du warst mehr als
einen Tag nicht da. Warum hat es so lange gedauert, bis du mich wieder
besuchst?«
Ich sagte, ich hätte
geschlafen und wüsste nicht, wie lange.
Biton betrachtete den
Bluterguss in meinem Gesicht. »Bleibe hier oben, wenn du kannst«, sagte er. »Je
mehr Zeit du unten verbringst, desto schneller stirbst du.«
Der Medizinmann fragte
mich in seinem Baby-Mandinka, ob es unter Deck Tote gebe. Ich sah Biton an,
aber der hatte ihn nicht verstanden. Ich wiederholte die Frage auf Bambara.
Biton sagte, einer sei tot, und deshalb könne der, der an ihn gekettet sei,
nicht hochkommen und essen und trinken.
»Ein toter Mann«,
erklärte ich dem Medizinmann. Er verstand mich nicht. Ich hielt einen Finger in
die Höhe und zeigte nach unten.
Der Medizinmann
brauchte zwei Männer, die ihm helfen sollten. Ich zeigte auf die Kette, die
Biton mit einem Mann namens Poto verband. Der Medizinmann griff in eine Falte
seiner Hose, holte ein Bund dünne Schlüssel heraus und befreite die Männer mit
einem von ihnen von ihren Fußeisen. Unter den Augen von zehn anderen Gefangenen
steckte er die Schlüssel zurück in seine Tasche, rief zwei Toubabu mit
Feuerstöcken herbei und führte Biton und Poto durch die Luke nach unten.
Ich ging zu Fomba, der
gerade aß. »Gut?«
Er schüttelte den Kopf.
»Tun dir die Füße
weh?«, fragte ich ihn, und er nickte. Er wollte mich nicht ansehen, fasste aber
meine Hand und ließ sie nicht wieder los. Ich setzte mich zu ihm und spürte,
wie das Schiff auf- und abstampfte. Biton und Poto kamen aus der Luke und zogen
den Toten an Deck. Dann standen sie da, sahen einander an und zu mir herüber.
Der Medizinmann winkte sie zur Seite des Schiffes und gestikulierte wild, sie
sollten den Mann über Bord werfen. Der Stoff über uns knatterte wie wahnsinnig
im Wind, und ich konnte nicht hören, wie der Körper ins Wasser schlug. Wie
viele von uns würden wohl noch dort in der Tiefe enden?
Ich ergriff den Arm des
Medizinmannes, deutete auf Fomba und versuchte ihm zu erklären, dass dieser
Mann stark sei und tue, was man von ihm verlange, wenn er nur von seinem
schrecklichen Fußeisen befreit würde. Der Toubab hatte keine Ahnung, was ich
ihm zu erklären versuchte.
»Bring ihn nicht mit
herein«, sagte Biton und zeigte auf Fomba.
»Warum nicht?«
»Er kann nicht mal
sprechen. Sein Geist hat ihn verlassen. Der Toubab muss Männern vertrauen, die
von Nutzen für uns sind.«
»Er ist aus meinem
Dorf«, sagte ich.
»Wir sind alle aus
einem Dorf, Kind. Ich kümmere mich darum, dass ihm nichts angetan wird.« Biton
stand ganz still, um es dem Medizinmann leichter zu machen, ihm das Eisen
wieder
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