Ich habe einen Namen: Roman
anzulegen. »Komm mich bald wieder besuchen, Aminata.«
Der orangehaarige
Toubab legte eine Hand unter meinen Arm und zog mich mit sich mit.
Zwischendurch blieb er stehen, um die Ketten einiger Gefangener zu
kontrollieren. Aus der zweiten Reihe hörte ich, wie jemand meinen Namen
flüsterte.
»Aminata.«
Es war Chekura. Sein
Haar war verfilzt, er hatte Schwellungen auf beiden Wangenknochen, und seine
Füße waren schmutzverkrustet. Im Moment schien ihm das alles jedoch nichts
auszumachen. Er sprach Fulfulde, sodass Biton nichts verstehen konnte. »Pass
auf den Mann auf«, flüsterte er. »Er will unser Anführer sein. Aber er könnte
dich auch töten lassen.«
Biton war ein Mann und
Chekura noch ein Junge. Biton war weit größer und kräftiger, und die gefangenen
Heimatländer hörten auf das, was er sagte. Chekura hatte meinen Fängern
geholfen, aber ich wollte ihm trotzdem trauen. Er war drei Monde lang mit mir
zum großen Wasser gegangen. Chekura kam aus einem Dorf nahe bei meinem, und er
sprach die Sprache meines Vaters. Ich spürte, dass er mich beschützen würde,
wenn er könnte. Aber ich hatte erlebt, was die Feuerstöcke vermochten, und
Chekura würde wahrscheinlich sterben, wenn die Heimatländer rebellierten. Wer
würde mir dann helfen? Ich wusste nicht, wem ich trauen sollte, und fragte mich,
was mein Vater sagen würde. Chekura oder Biton? Seine Antwort brachte mir wenig
Trost. Halte Augen und Ohren weit offen , sagte er, und
vertraue nur dir selbst .
Der Medizinmann fasste
mich wieder beim Arm und führte mich eine Treppe hinunter. Er schob mich durch
einen vollen Raum, in dem Leute in Hängematten schliefen, die an den
Deckenbalken festgemacht waren. Wir kamen an einem Koch vorbei, der in einem
großen Topf rührte, und gelangten in einen schmalen Gang voller Türen. Der
Medizinmann öffnete eine von ihnen, und wir betraten einen kleinen Raum. Er
schloss die Tür. Wir waren allein, nur wir zwei. Es war eine Erleichterung, den
stinkenden Schlafraum und das Deck voller Leute hinter mir zu lassen. Aber mit
dem Toubab allein in diesem Raum zu sein, war nicht gut für mich.
Er gähnte, reckte die
Arme und zog seine Jacke aus. Sein Hemd war um die Achseln ganz gelb und
verbreitete einen scharfen Geruch. Er setzte sich aufs Bett. Es war eine leicht
erhöhte Holzkonstruktion, auf der ein großer, mit Stroh vollgestopfter
Stoffsack lag. Der Medizinmann bedeutete mir mit Gesten, mich zu setzen. Ich
blieb stehen. Er schlug auf den Rand des Bettes. Ich setzte mich ängstlich und
wünschte, nicht mit ihm allein zu sein. Fanta würde wissen, was ich tun sollte.
Der Medizinmann gab ein
Toubabu-Wort von sich und zeigte auf das, worauf ich saß.
»Bett«, sagte er wieder
und wieder und wartete darauf, dass ich ebenfalls darauf zeigte und das Gleiche
sagte.
»Bett«, sagte ich, und
er schien zufrieden.
Er schlug sich auf die
Brust, zeigte mit dem Daumen auf sich und wiederholte ein anderes Wort. »Tom«,
sagte er.
»Tom«, wiederholte ich.
Dann zeigte er auf
mich. Ich sagte meinen Namen, und er verzog das Gesicht.
»Aminata«, sagte ich
noch einmal.
Aber er zeigte auf mich
und sagte etwas anderes. Wieder und wieder und wieder. Er wollte, dass ich es
ihm nachsprach.
»Mary«, sagte ich
endlich. Wieder deutete er auf mich, und ich tat es ihm nach. Ich benutzte
meinen Daumen, genau wie er. »Mary«, sagte ich leise. Ich drückte das Wort
zwischen den Lippen durch und sagte mir, es sei das letzte Mal. Nie wieder
wollte ich es sagen, und auch seinen Namen nicht.
Er sprang auf und
klatschte in die Hände. »Mary«, sagte er wieder und wieder.
Ich stand auch auf. Ich
wollte zurück zu den Frauen. Aber er legte mir die Hand auf die Schulter und
drückte mich zurück aufs Bett. Dabei beugte er sein Gesicht ganz nahe an
meines. Auf seinem Kinn und überall auf seinem Gesicht sprossen dicke,
orangefarbene Stoppelhaare. Sogar aus seinen Ohren wuchsen sie. Seitlich von
seinem Gesicht, vor den Ohren, spross das Haar daumendick. Er ging zu einer
kleinen Truhe, die er durchwühlte, und holte einen roten Stoff daraus hervor.
Der Stoff war breit und lang und sehr weich. Er legte ihn mir über den Arm, und
ich sprang auf, wickelte ihn um mein Hinterteil und mein Geschlecht und
verknotete ihn über der Hüfte. Er schien meinen Knoten zu bewundern, und wie
schnell und geschickt meine Hände waren. Nachdem er mich erneut aufs Bett
gedrückt hatte, ging er hinaus.
Gegenüber vom Bett war
ein kleines Loch in der Wand. Ich
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