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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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nicht, dass sie’s überleben würde, aber seht sie euch
an. Könnte sie für das Zwanzigfache von dem verkaufen, was ich für sie bezahlt
habe.«
    »Und für wie viel
würden Sie sie verkaufen?«, fragte Solomon Lindo mit einem schnellen Bick zu
mir.
    »Keinesfalls für
weniger als zwanzig Pfund«, sagte Appleby.
    Der dritte Mann legte
seine Zigarre zur Seite und kam zu mir. Er hatte einen riesigen Bauch, der ihm
über den Gürtel hing, und eine große rote Nase. »Wie alt bist du, Mary?«, sagte
er.
    Die Buckra nannten
Negerinnen »Mary«, wenn sie ihren Namen nicht kannten, und ich hasste das. Ich
hielt den Blick gesenkt und den Mund geschlossen.
    »Mädchen«, sagte
Appleby zu mir, »das ist William King. Der Sklavenhandel in Charles Town liegt
praktisch ganz in seiner Hand. Er hat dir eine Frage gestellt.«
    »Fünfzehn, glaub ich«,
sagte ich.
    »Das glaubst du, wie?«,
sagte King.
    »Ja, Sir«, sagte ich.
    »Für mich sieht sie
mehr wie achtzehn aus«, sagte King. »Hat sie schon Babys?«
    Er redete mit Appleby,
also sagte ich nichts.
    Appleby drückte mir
plötzlich ein Glas in die Hand und sagte: »Trink etwas Madeira.«
    »Geben Sie ihr das
nicht«, sagte Lindo und nahm mir das Glas wieder weg. »Sie machen sie krank.
Geben Sie einem Kind keinen Wein.«
    »Sie ist eher eine Frau
als ein Kind«, sagte Appleby.
    »Lange hat sie die
Kindheit noch nicht hinter sich«, sagte Lindo vorsichtig.
    »Ich bin der Händler«,
sagte King. »Bleiben Sie bei Ihrem Indigo, und ich erklär Ihnen die
Nigger-Frauen.« Er wandte sich wieder mir zu. »Wie hast du das über den Indigo
gelernt?«, fragte er mich.
    »Mamed hat es mich
gelehrt.«
    King sah mich
argwöhnisch an. »Noch mal?«
    Gelehrt . Ich erkannte meinen Fehler sofort. Gelehrt war ein Buckra-Wort. Mamed
hatte mich gewarnt, ich solle mit einem Buckra niemals richtig Englisch
sprechen. »Er hat’s mir beigebracht«, sagte ich schnell. »Er hat mir Indigo
beigebracht.«
    Appleby zeigte King das
Haus, Lindo blieb bei mir. Er kraulte sich den Bart. Seine Finger waren lang
und schlank. Sie waren nicht wie die Finger eines Plantagenbesitzers oder eines
Aufsehers. Vielleicht hatten ja alle Indigo-Einstufer glatte Hände mit sauberen
Nägeln und weicher Haut.
    Lindo trug eine winzige
Kappe auf dem Kopf. Sie war ganz anders als mein Kopftuch und bedeckte nur einen
kleinen Teil hinten auf dem Kopf. Er erwischte mich dabei, wie ich sie
neugierig betrachtete.
    »Weißt du, was das
ist?«, fragte er.
    Ich schüttelte den
Kopf.
    »Willst du es wissen?«,
fragte er.
    Ich nickte.
    »Bist du ein
neugieriges Mädchen?«, sagte er.
    Ich sah ihn nur an.
    »Das ist eine Jarmulke.
Ich bin Jude. Weißt du, was das bedeutet?«
    Ich antwortete nicht.
    Solomon Lindo ging zu
einem Tisch im Raum, nahm eine Schreibfeder, tauchte sie in ein Tintenfass und
schrieb etwas auf ein Stück Pergament. Er zeigte es mir. Da stand: »Dreh dich
um, da steht deine Mutter.«
    Ich fuhr herum. Nichts.
Ich drehte mich zurück. Er lächelte übers ganze Gesicht.
    »Ein kleiner Trick«,
sagte er, »aber ich verrate niemandem etwas.«
    Ich war wie erstarrt.
    »Keine Angst«, sagte
er. »Ich könnte ein Mädchen wie dich brauchen.«
    Von draußen vor der Tür
war eine laute Unterhaltung zu hören. Appleby und King kamen zurück. Sie
tranken aus ledernen, flachen Flaschen.
    »Du bist also eine
reine Afrikanerin?«, sagte King.
    Ich nickte.
    »Lass mich ein bisschen
Afrikanisch hören«, sagte er.
    Ich sagte ihm auf
Bambara, dass er aussehe wie ein böser Mann.
    King lachte. »Ich
verstehe kein Wort«, erklärte er den anderen, »aber ich höre immer gern, ob sie
wirklich eine von den Sprachen sprechen.«
    Es brach aus mir
heraus, ohne dass ich es hätte zurückhalten können: »Woher komme ich?«, fragte
ich.
    King lächelte mich an.
Er schien das für ungeheuer komisch zu halten. »Das musst du uns sagen.«
    »Wo liegt mein Land?«
    »Du willst zurück,
wie?«, sagte King.
    Appleby lachte wieder.
    King ging zum Tisch,
öffnete eine Schublade, rollte ein großes Stück Pergament aus und strich es
glatt. In die Mitte zeichnete er gewellte Linien und sagte, das sei Wasser. Auf
die linke Seite kam ein Kreis – Carolina, wie er sagte –, auf die rechte eine
komische Form, eine Art Pilz mit nach links verrutschter Kappe. Afrika, sagte
er.
    In den Pilz hinein
zeichnete er wieder einen Kreis. »Da kommt sie her«, sagte er zu den Männern
und deutete nach oben links.
    »Der Coromantee ist der
beste der Afrikaner«,

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