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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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machte eine Geste
mit seinen Fingern. Ich trat etwas näher.
    »Schöne Kleider heute.
Ein blauer Umhang, ein rotgoldenes Kopftuch. Ich wette, das gefällt dir. Lass
mich den Umhang sehen. Komm her. Ganz nahe.«
    Ich trat näher.
    »Sag, ›Ich mag meine
Kleider, Master.‹«
    Ich sagte es.
    »Komm mit auf den Hof«,
sagte er.
    Ich verspürte eine
kurze Welle der Erleichterung. Wenn wir draußen blieben, gab es bestimmte
Dinge, die er nicht tun würde. Appleby brüllte nach Mamed und Georgia, die
jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf der Plantage zusammenrufen sollten.
Jeder, der wegbleibe, werde von den nächsten drei Mahlzeiten ausgeschlossen und
auch seine kleinen Geschenke aus Charles Town nicht bekommen, den Rum, die Stoffe
und das Salz. Die Plantagenbewohner bildeten einen großen Kreis um uns. Appleby
befahl zwei Frauen, ein kleines Feuer anzuzünden. Mamed musste ein leeres Fass
aus dem Lagerhaus herbeirollen, ein anderer Mann ein Rasiermesser holen, und
eine Frau wurde nach einem Waschbottich und einer Schere geschickt. Georgia
sollte auch noch den letzten Fetzen, den ich zum Anziehen besaß, aus unserer
Hütte herbringen.
    Als das Feuer richtig
flackerte, der Waschbottich gefüllt und das Messer bereit war, schrie Appleby,
dass es jedem, der ein Wort des Protestes hören ließ, genauso ergehen würde wie
mir, oder schlimmer.
    »Deine Kleider«, sagte
er zu mir. Als ich zögerte, riss er sie mir vom Leib und warf sie auf die
Sachen, die Georgia gebracht hatte. »Wir haben ein Gesetz in der Provinz
Süd-Carolina«, sagte er. »Nigger ziehen sich nicht vornehm an.«
    In diesem Moment traf
ich eine Entscheidung. Er würde sowieso tun, was er wollte. Ich kam aus Bayo,
und in mir wuchs ein Kind heran. Ich würde mir meinen Stolz bewahren.
    »Wirf sie ins Feuer«,
sagte Appleby und zeigte auf meine Kleider.
    Ich bewegte mich nicht.
Appleby wandte sich an Georgia. Er deutete auf mich.
    »Georgia, du weißt, ich
meine es ernst. Ins Feuer damit, oder es wird umso schlimmer für sie.«
    Georgias Gesicht war
ausdruckslos wie ein Flusskiesel. Sie bückte sich, nahm meine Kleider und warf
sie ins Feuer. Insgeheim dankte ich ihr. Sie hatte meine Kleider verbrannt,
aber meine Ehre gerettet. Ich hatte Appleby vor allen Negern die Stirn geboten.
Dieser eine Sieg gehörte mir, und ich würde mich daran erinnern.
    Er zeigte auf den
Bottich. »Auf die Knie, und steck den Kopf in den Bottich«, sagte er. Ich
rührte mich nicht. »Das ist meine letzte Warnung. Den Kopf in den Bottich.«
    Ich kniete mich hin,
vermochte den Kopf aber wegen meines geschwollenen Leibes nicht in den Bottich
bringen.
    »Dann setz dich hin«,
sagte er und kippte drei Eimer Wasser über mich. Die Wasser lief mir über
Gesicht, Hals und Bauch.
    Appleby rollte das Fass
zu mir. »Beuge dich darüber.«
    »Nein«, rief ich.
    »Tu, was ich sage, und
tu es jetzt, oder ich räume eure Hütte aus. Ich werde alles verbrennen, was ihr
besitzt. Kleider, Kämme, alles. Auch Georgias Sachen. Ich werfe ihre Kleider,
Beutel, Schalen und Flaschen ins Feuer. Alles. Hörst du?«
    Ich versuchte mich über
das Fass zu beugen, doch mein Leib war zu dick.
    Er packte mir in die
Haare und zog meinen Kopf hoch. »Dann sitz gerade«, sagte er.
    Immer noch auf den
Knien richtete ich den Rücken auf.
    »Du und dein geheimer
Mann«, sagte Appleby. »Seid ihr nicht schlau? Glaubtest du, ich wüsste nicht,
dass du ein Kind erwartest? Du und deine Kopftücher. Fein gemacht wie eine
Weiße beschämst du die Nigger-Frauen in Charles Town.«
    Appleby trat hinter
mich und riss an meinem Haar. »Was ist das?«, rief er.
    Ich schrie vor Schmerz
auf.
    »Was ist das?«, sagte
er wieder.
    »Mein Haar.«
    »Das sind keine Haare«,
sagte er und zog meinen Kopf noch weiter zurück. »Das ist Wolle.« Ich keuchte
auf, als er noch fester zog. »Keine Haare«, rief er. »Sag: Wolle .«
    »Wolle.«
    »Sag: ›Ich habe Wolle
auf dem Kopf, keine Haare.‹«
    »Hab Wolle, keine
Haare.«
    »Es ist nichts als
Wolle, und du hast kein Recht darauf, wenn ich es nicht sage.«
    Den Ellbogen zwischen
meine Schulterblätter gedrückt, zwang Appleby mir den Kopf über das Fass und
fing an zu schneiden. Strähnen meines Haars fielen mir in die Stirn und die
Augen, die nächsten in den Mund, während mir stumme Tränen über die Wangen
rannen.
    Ich verlor all mein
Haar, das Georgia und ich jeden Sonntagmorgen gekämmt, geölt, geflochten und
zusammengebunden hatten. Als Appleby mit der Schere fertig war, seifte

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