Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
schon wenigstens 100 Kilometer lang zu Fuß seinen echten Rucksack durch die Landschaft buckeln -finde ich.
Womit wir auch bei der Frage wären, ob man als echter Pilger zusammen mit anderen in einer Lagerhalle schlafen - oder eben auch wach liegen muss. Ich denke nein.
Wir sind tagsüber auf dem Weg, abends auf den Plätzen und manchmal auch in den gemeinsamen Bädern zusammen. Schlafen möchte und muss ich dann tatsächlich nach der Pilgerei - und zwar möglichst alleine und in einem akzeptabel sauberen Bett. Jawoll. Pilgern ist nicht anspruchslos .
Jesus spricht zu ihm: Stehe auf, nimm dein Bett und gehe hin! Johannes 5.8
29. Tag von Astorga nach Foncebadon
Auf den 26 Kilometern heute gibt es endlich wieder eine veränderte Landschaft zu bewundern: Der Anstieg in die Montes de Léon, die wir nun schon drei Tage lang am Horizont bewundern konnten, beginnt kurz nach Astorga. Es ist warm, heute aber mal bewölkt. Und so wandere ich mit Dorothy und Leonie gemütlich auf guten Feldwegen durch wunderschöne Natursteindörfer mit ordentlichen und sauberen Bars. Beide Damen sind aber immer noch mit Restgrippe und kaputten Füßen angeschlagen. Klassische Musik rieselt bei der Frühstückspause zum Boccadillo aus dem Kneipenlautsprecher zu uns herunter. Viele kennen das Stück zwar aus der Bierwerbung, aber hier klingt es trotzdem herrlich.
Immer mehr Büsche und Bäume und immer mehr Grün tüpfeln die Landschaft. Die ersten Krüppeleichen und Steinmauern säumen den Weg und sind Vorboten des nahen Galiciens, das ich ja schon vor drei Jahren einmal in sechs Tagen auf dem Jakobsweg durchwandert hatte. Lange sehenwir hinter uns während des langsamen Aufstiegs die Türme der Kathedrale von Astorga.
In El Ganso taucht nach ewiger Zeit wieder einmal Peter aus Finnland auf. Eine schöne Überraschung. Zuerst höre ich seine markante Singsang-Stimme mit dem rollenden R, aus einer Pilgergruppe, dann erkennen wir uns wieder. Er tut gleich eine gute Tat, die ihm von uns den Titel „Pilger des Tages“ einbringt: Er sammelt den ganzen Müll ein, den dumme Schmuddel-Pilger auf einem Rastplatz vor dem Dorf zurückgelassen hatten. Dazu sollten die Jakobus-Gesellschaften aller Länder mal aufrufen: Jeder räumt auf seinem Camino mindestens ein Mal einen Haufen Müll weg. Teilweise sieht es nämlich aus, wie auf einer Autobahnraststätte. Buchstäblich haufenweise weiße Tücher und Plastikflaschen lassen eindeutige Rückschlüsse auf die Fähigkeit vieler Pilger zu, von Respekt und Rücksichtnahme nicht nur zu reden. Umweltbewusstsein ist ja angeblich nicht angeboren.
Gestern Abend hatte ich noch ein Gespräch mit Elena, der deutsch-spanischen Rezeptionistin im Hotel in Astorga. Sie ist in Siegen aufgewachsen und vermisst so sehr den Regen, den Schnee und die sattgrünen Wälder ihrer Heimat am Rande des Westerwalds. So unterschiedlich sind die Perspektiven: Wir Pilger aus den mitteleuropäischen Regengebieten genießen die Sonne Navarras und Kastiliens. Ich nun schon seit gut vierWochen und in vollen Zügen. Nur zwei kurze Regenschauer in den Pyrenäen und in Pamplona und zwei kühle Tage mit Wolken und Wind waren bisher dazwischen.
Die redselige und fröhlich lispelnde Australierin mit irischen Wurzeln Sally erzählt heute unterwegs in einer Bar, dass sie nun schon zum vierten Mal auf dem Camino unterwegs ist. Sally ist - ich ahne es fast schon - natürlich sehr spirituell. Ich finde, das erkennt man schon daran, dass sie am Tisch eine bekannte, deutsche mentholhaltige Erkältungsschmiere auf ihren Füßen verteilt. Sie fühlt (nicht allein dadurch) zudem ihre Seele sehr eng mit dem Camino verbunden. Apropos „verbunden“: Das sieht der Weg selbst offensichtlich nicht so. Noch vergangenes Jahr musste sie genau hier vor Rabanal del Camino ihre Pilgerei vorzeitig abbrechen - mit einem verbundenen Knie, das nicht mehr mitmachen wollte. Verbundenheit eben.
Bei ihrem ersten Caminotrip vor sechs Jahren war Sally zu einem Wanderurlaub aufgebrochen, wie sie meinte, und empfand ihre Tage auf dem Jakobsweg dann als spirituelles Erlebnis. Was auch immer sie damit meint, ich lächle starr und verständnisvoll. Ihre Familie habe sie jedenfalls für verrückt erklärt, grinst sie in die Runde. Bei jedem Verwandtenbesuch in Europa ist sie nun auch auf Pilgersfüßen unterwegs. Diesmal aber will die Frau in den 60ern den Aufstieg auf den Berg Iragoschaffen. Wartet doch hier, auf gut 1500 Metern, das berühmte „Cruz de Ferro“, das
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