Ich habe mich verträumt
machen dürfen und zu irgendwelchen Meetings herumdüsen, wo sie kaum erwähnenswerte Arbeit täte und die Lorbeeren erntete, die andere für sie erarbeiteten. Wenn Kerry also ein falsches Präteritum benutzte, würde das niemanden interessieren.
Außer mich. Ich wollte, dass sie ihr Gehirn benutzte, anstatt sich auf ihrem Status auszuruhen, aber Kerry interessierte sich natürlich nicht im Mindesten dafür, was ich dachte. So viel war klar. Das Kuratorium teilte möglicherweise ihre Ansicht.
„Grace!“, dröhnte Margarets Stimme durchs Haus, sodass Angus zusammenzuckte. Ich fand, dass meine ältere Schwester mit jedem Tag Mémé ähnlicher wurde. „Ich koche Vollkornnudeln mit Brokkoli zum Abendessen. Willst du auch welche?“
Ich verzog das Gesicht. „Nein danke. Ich werde mir später etwas zusammenbrutzeln.“ Irgendetwas mit Käse. Oder Schokolade. Oder beidem.
„Alles klar. Ach herrje! Stuart ist hier.“
Gott sei Dank! Ich sprang zum Fenster und Angus folgte mir fröhlich. Tatsächlich: Mein Schwager kam den Weg zum Haus heraufmarschiert. Es war fast dunkel, aber sein Standard-Oxfordhemd leuchtete in der Dämmerung. Um besser lauschen zu können, schlich ich hinaus in den Flur und zog hinter mir die Tür zu, damit Angus mich nicht verriet. Nach Stuarts verhaltenem Klopfen stampfte Margaret zur Tür. Ich konnte ihren Hinterkopf erkennen, mehr aber nicht.
„Was willst du?“, fragte sie barsch. Allerdings bemerkt ich einen heiteren Unterton in ihrer Stimme … Endlich unternahm Stuart mal etwas, was Margaret für gewöhnlich sehr schätzte.
„Margaret, ich finde, du solltest wieder nach Hause kommen.“ Stuart sprach sehr leise, und ich musste mich anstrengen, um etwas zu hören. Mehr sagte er nicht.
„Das war’s?“, bellte Margaret als Echo meiner eigenen Gedanken. „Das ist alles, was dir einfällt?“
„Was soll ich denn sonst noch sagen, Margaret?“, fragte er hilflos. „Ich vermisse dich, ich liebe dich. Komm wieder zurück.“
Plötzlich bekam ich feuchte Augen.
„Warum? Damit wir uns weiterhin jeden Abend anstarren und zu Tode langweilen können?“
„Ich habe das nie so empfunden, Margaret. Ich war sehr glücklich“, entgegnete Stuart. „Wenn du kein Kind haben willst, ist das in Ordnung, aber all diese anderen Sachen … Ich weiß nicht, was du von mir willst. Ich bin nicht anders als früher.“
„Was möglicherweise das Problem ist“, erwiderte Margaret scharf.
Stuart seufzte. „Wenn es etwas Bestimmtes gibt, das ich tun soll, dann tue ich es, aber du musst es mir sagen. Das ist nicht fair.“
„Wenn ich es dir sagen muss, dann zählt es ja nicht“, gab Margaret zurück. „Das wäre wie geplante Spontaneität, Stuart. Ein Widerspruch in sich.“
„Du willst also, dass ich unerwartete und überraschende Dinge tue“, sagte Stuart. Seine Stimme klang auf einmal hart. „Soll ich etwa nackt die Hauptstraße hinunterlaufen? Wie wäre es, wenn ich anfinge, mir Heroin zu spritzen? Soll ich eine Affäre mit der Putzfrau anfangen? Wäre das überraschend genug?“
„Jetzt stellst du dich absichtlich blöd, Stuart. Bis du herausgefunden hast, was ich meine, habe ich dir nichts mehr zu sagen. Gute Nacht.“ Margaret schloss die Tür, lehnte sich von innen dagegen und spähte kurz darauf durch die kleine Fensterscheibe. „Verdammt noch mal“, murmelte sie. Ich hörte, wie ein Motor ansprang. Offensichtlich fuhr Stuart wieder davon.
Margaret sah mich, wie ich auf dem obersten Treppenabsatz kauerte. „Und?“, fragte sie.
„Margaret“, begann ich vorsichtig, „er liebt dich, und er will dich glücklich machen. Zählt das etwa gar nicht?“
„So einfach ist das nicht, Grace!“, erwiderte sie. „Er liebt es, wenn jeder Abend unseres Lebens genauso ist wie der vorige. Abendessen. Ein nettes Gespräch über Literatur und aktuelle Ereignisse. Sex an den vorgeschriebenen Tagen. Hin und wieder ein Essen auswärts, wo er eine halbe Stunde braucht,um eine Flasche Wein zu bestellen. Es ist so langweilig, dass ich schreien könnte!“
„Hör zu, Mitbewohnerin“, sagte ich. „Meine Meinung dazu lautet: Er ist ein anständiger, fleißiger, intelligenter Mann, und er vergöttert dich. Ich finde, du benimmst dich wie ein verwöhntes Kind.“
„Grace“, entgegnete sie scharf, „da du nie verheiratet warst, zählt deine Meinung nicht besonders viel. Also kümmere dich um deine eigenen Sachen, okay?“
„Ja, natürlich, Margs. Ach, übrigens … Wie lange, meinst du,
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